Plötzlich zählt jede Sekunde: Bleibt das Herz stehen, ist eine schnelle Reanimation lebensentscheidend. Dazu gehört nicht nur die Herzdruckmassage, sondern auch die Mund-zu-Mund- beziehungsweise Mund-zu-Nase-Beatmung. Die Theorie ist vielen bekannt. Doch praktisch trauen sich immer weniger Menschen zu, jemanden in einer Notsituation zu beatmen. Zudem bestehen vor allem seit Corona Bedenken hinsichtlich einer Ansteckung.

Ein Team, geleitet von der Firma Thora Tech GmbH, unter Beteiligung des Fachbereichs Gesundheit an der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM), dem Fachbereich Veterinärmedizin an der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) sowie der DRK Rettungsdienst Mittelhessen gGmbH (RDMH) plant daher ein Gerät zur künstlichen Beatmung mittels der Jetventilationstechnologie zu entwickeln. Ähnlich wie beim einem Automatisierten Defibrillator (AED) soll seine Anwendung intuitiv sein.

In dem durch das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung mit 584.381 Euro geförderten Projekt soll in den kommenden drei Jahren ein solches Notbeatmungsgerät entwickelt werden. Es soll künftig in medizinischen und Pflegeeinrichtungen, öffentlichen Institutionen, Schulen, Hochschulen, Vereinen, Firmen und anderen Orten Teil der Notfallausrüstung sein.

„Bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand zählt jede Minute, in der das Gehirn nicht mit Blut versorgt wird. Umso wichtiger ist es, dass schon vor Eintreffen des Rettungsdienstes mit der Reanimation begonnen wird“, erklärt Jan Orendt, Betriebsleiter des RDMH und selbst ausgebildeter Notfallsanitäter. Denn: „Pro Minute sinkt die Überlebenschance um zehn Prozent.“ Gerade Corona hat aber auch gezeigt, dass es oft nicht nur um eine Notfallbeatmung bei Atemstillstand geht, sondern auch um eine Notfall-Atmungsunterstützung. Menschen, die akut an starker Atemnot leiden, brauchen auch schnelle und unkomplizierte Hilfe, die auch von Laien bedient werden kann und flächendeckend zur Verfügung steht.

Neben der intuitiven Bedienbarkeit gibt es weitere Anforderungen: Das Notbeatmungsgerät soll selbstständig entscheiden, wie hoch die Sauerstoffkonzentration ist, die in den Körper gepumpt werden muss. Dies wird reguliert anhand von Sensoren, die kontinuierlich die CO2– und O2-Konzentration in der Atemluft messen. So muss nur eine Gasquelle, nämlich eine Sauerstoffflasche, am Gerät verbaut werden. Zudem benötigt es einen großen Akku, der jederzeit aufgeladen ist, damit es im Notfall direkt einsatzbereit ist.

„Herkömmliche Beatmungsgeräte pumpen Sauerstoff in den Körper in der ersten Phase, in einer zweiten holen sie Kohlenstoffdioxid aus dem Körper heraus. Dadurch hebt und senkt sich der Brustkorb, wie bei einem normalen Atemvorgang“, erklärt Fatih Yüksel, Geschäftsführer der Thora Tech GmbH. Eine bereits klinisch angewendete Beatmungstechnik, die sogenannte JET-Technologie, soll bei der Neuentwicklung zum Einsatz kommen. Statt phasenweise werden zeitgleich Luft in den Körper gepumpt und herausgesogen. „Damit bleibt der Brustkorb während der Beatmung stabil auf einer Linie“, verdeutlicht Fatih Yüksel. Das sei beispielsweise bei Unfällen wichtig, bei denen der Oberkörper geschädigt wurde. Auch für bildgebende Verfahren, wie der Computertomographie (CT), sei das ein Vorteil.

Um diese komplexen Anforderungen zu realisieren, braucht es Projektpartner. Die Firma Thora Tech GmbH ist für die technische Umsetzung und die Integration der Sensorik zuständig. Die Klinik für Kleintiere am Fachbereich Veterinärmedizin der Justus-Liebig-Universität wird das geplante Gerät zunächst in Computersimulationen hinsichtlich der optimalen Bauweise und Einstellungen der Parameter testen. Der DRK Rettungsdienst Mittelhessen steuert Erfahrungen aus der Praxis bei und wird das Gerät schließlich durch verschiedene Anwendende im eigenen Simulationszentrum in Marburg testen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Fachbereich Gesundheit der THM werden die speziellen Anforderungen der Zielgruppen untersuchen und den Entwicklern bereitstellen.

Über Technische Hochschule Mittelhessen

Die Technische Hochschule Mittelhessen (THM) ist eine der größten Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW) in Deutschland und bietet über mehr als 80 Studiengänge an 12 Fachbereichen und das duale Studienangebot von „StudiumPlus“ an. Die Hauptstandorte Friedberg, Gießen und Wetzlar liegen verkehrsgünstig in der hessischen Rhein-Main-Region. Die derzeit mehr als 15.600 Studierenden der THM profitieren von bewährten Studienbedingungen und kleinen Lerngruppen sowie von der Zusammenarbeit mit regionalen Unternehmen. Unter den HAWen zeichnet sich die THM durch ihre anwendungsbezogene Forschungsstärke aus. Neben acht eigenen, interdisziplinären Kompetenzzentren besteht eine Zusammenarbeit mit den Universitäten in Gießen und Marburg, über die auch kooperative Promotionen in den Ingenieurwissenschaften möglich sind. Als erste HAW eröffnete die THM 2016 zudem ein eigenständiges Promotionszentrum und besitzt seither das Promotionsrecht für den Doktoringenieur.

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