Dank der Radar-Expertise des Fraunhofer IZM wird die Sensorik für autonome Fahrzeuge künftig nicht nur günstiger, sondern auch im Erkennungsvermögen besser. Zusammen mit Industriepartnern erschufen die Forschenden ein Radarsystem mit einer Trennschärfe von unter einem Grad und einem Erfassungswinkel von 180°. Der Vorteil: Am Fahrzeug muss nur noch weniger als die Hälfte der Radarsensoren verbaut werden. Ermöglicht wurden diese Fortschritte durch eine Kombination aus neuen Elektronik- und Packaginglösungen in Verbindung mit der Nutzung von künstlicher Intelligenz bei der Auswertung der Radarsignale.

Ziel eingeben, anschnallen und zurücklehnen, während das Fahrzeug autonom durch die Straßen gleitet: Fortschritte der Technik und Rechtslage versprechen zukünftig eine selbstfahrende Mobilität auf europäischen Straßen. Während sich das autonome Fahren in den letzten Jahren nur langsam durchsetzt, weisen Prognos-Analysen auf einen Umbruch des Trends hin: Ab 2030 soll die Anzahl der Neufahrzeuge mit zumindest einer Pilotfunktion für Autobahnen und Landstraßen deutlich steigen[1]. Bis dahin müssen Expert*innen aus Forschung und Industrie die Erkennungssicherheit automatisierter Fahrzeuge verbessern. Die integrierten Sensorsysteme müssen zuverlässig in der Erfassung der Umgebung sein, damit das System auch kleine Gegenstände im Radius von mindestens 100 Metern rund um das Auto detektieren und den Unterschied zwischen Menschen, Tieren und Gegenständen mit größtmöglicher Sicherheit abschätzen kann.

Mehr Sicherheit durch genauere Messung
Das Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM entwickelte deshalb zusammen mit der InnoSenT GmbH, der KSG GmbH, der Creonic GmbH sowie der Universität Bielefeld im Projekt KI-Radar ein Sensorsystem mit einer Trennschärfe von unter 1° bei einem Erfassungswinkel von 180°. Gegenwärtige Radarsensoren kommen lediglich auf 2° bei einem Erfassungswinkel von 90°, weshalb mit dem nun entwickelten Radarsystem die so genannte Winkelauflösung und Erfassungsbereich verdoppelt werden konnte. Dadurch können auch Objekte, die sich in einem Abstand von mehr als einem Grad zu einander befinden, eindeutig voneinander getrennt detektiert werden.

Zusätzlich sollen die neuen Systeme einen Winkelbereich von idealerweise rund 90° in der Horizontalen abdecken. So werden die Grenzen aktuell üblicher Radarsysteme überwunden und große Schritte in Richtung des sicheren autonomen Fahrens gegangen. Um den Erfassungsbereich der Radare auf die bisher noch nicht möglichen 180° zu erweitern, bauten die Forschenden dreidimensionale Antennenstrukturen auf. Die Herausforderung dabei: Bei einem größeren Detektionsbereich leidet die Detailwahrnehmung der Sensoren. Damit die Radare trotz weiteren Umblicks eine hohe Winkelauflösung bieten, mussten die Forschenden kreativ werden. Dr. Christian Tschoban, Projektverantwortlicher und Gruppenleiter am Fraunhofer IZM, erklärt die Idee: „Geholfen haben uns die KI-Algorithmen: Mit ihnen konnten wir die Messwerte einzelner Radarsensoren koppeln und so die Winkelauflösung entscheidend erhöhen.“

Nachdem die Einzelkomponenten von den Projektbeteiligten gefertigt wurden, sind zwei Demonstratoren aufgebaut und evaluiert worden. Der Technologiedemonstrator mit 3D-Antennen und integrierter KI konnte in ersten Tests bereits seine Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen: Mit einer Winkeltrennfähigkeit von unter einem Grad weist er eine sehr hohe Detektionssicherheit auf. Kurz vor Projektabschluss testeten die Forschenden auch den zweiten funktionalen Demonstrator unter realen Bedingungen. An einem Fahrzeug befestigt, detektierte er zuverlässig die Hindernisse auf der Strecke.

Höhere Auflösung bei geringeren Kosten
Dank des höheren Erfassungsbereichs der neuen Radarsensoren müssen statt der bislang üblichen ca. 16 Radarsensoren je Fahrzeug nur noch sechs Sensoren verbaut werden, um die 360°-Detektion mit der geforderten Sicherheit zu erreichen. Dies reduziert die Fertigungskosten für die Radarsysteme auf weniger als die Hälfte.

Das Projekt KI-Radar ist ein Verbundprojekt unter Koordination von InnoSenT GmbH, gemeinsam mit KSG GmbH, Creonic GmbH sowie der Universität Bielefeld und wurde unter der Fördernummer 16ES1018 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit 2,32 Mio. Euro gefördert. Das Team vom Fraunhofer IZM war in dem Konsortium zuständig für die Entwicklung des 79-GHz-Radar-Frontends mitsamt der Kommunikationsschnittstelle sowie der dreidimensionalen Antenne. Zudem miniaturisierten die Forschenden das Gesamtmodul mittels Einbett-Technologien, wodurch die Integrationsfähigkeit der Radare im Fahrzeug gesteigert wurde. Eine Besonderheit des Projekts ist, dass Hard- und Software von Beginn an als Einheit gedacht wurden. Nur so war eine gesteigerte Performanz bei geringeren Kosten und Bauvolumen möglich.

[1] https://www.adac.de/-/media/pdf/motorwelt/prognos_automatisierungsfunktionen.pdf?la=de-de&hash=4FE03D2842A22A8F900AE176AFCA6887

(Text: Olga Putsykina)

 

Über Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM

Das Fraunhofer IZM ist weltweit führend bei der Entwicklung und Zuverlässigkeitsbewertung von Technologien für die Aufbau- und Verbindungstechnik von zukünftiger Elektronik. Hierdurch entstehen Eigenschaften, die bislang eher untypisch für Mikroelektronik sind: zum Beispiel wird sie dehn- oder waschbar, hochtemperaturbeständig oder extrem formangepasst. Die Forschenden des Fraunhofer IZM setzen dabei ebenso Maßstäbe für die Umweltverträglichkeit von Elektronik.

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