Seit knapp zehn Jahren sind Ärztinnen und Ärzte per Gesetz verpflichtet, Patientinnen und Patienten umfassend und verständlich über Behandlungen aufzuklären. Niemand soll später sagen: „Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich mich anders entschieden.“ Ein Modellprojekt am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) hat nun gezeigt, wie Patientinnen und Patienten mithilfe des SHARE TO CARE-Programms auf Augenhöhe einbezogen werden können. Heute wurden die Ergebnisse auf einer Pressekonferenz in Berlin vorgestellt. Etwa 40 Fachleute diskutierten in einem anschließenden Symposium, wie das Projekt deutschlandweit die Versorgung verbessern könnte.

Das Modellprojekt heißt „Making SDM a Reality“, wobei SDM für „Shared Decision Making“ oder „gemeinsame Entscheidungsfindung“ steht. Das Projekt wurde vom Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) über eine Laufzeit von vier Jahren mit 13,7 Millionen Euro gefördert. Derzeit berät der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), inwieweit es in die Regelversorgung übernommen werden kann. Am UKSH in Kiel wird das Projekt mit der Techniker Krankenkasse (TK) als innovatives Angebot fortgeführt, wobei der Fokus zusätzlich auf der Patientensicherheit liegt.

„90 Prozent unserer Versicherten wünschen sich eine gemeinsame Entscheidung mit ihrer Ärztin oder ihrem Arzt. Dafür müssen Patientinnen und Patienten ein wichtiger Teil des Entscheidungsprozesses werden und – soweit möglich – ihrem Arzt oder ihrer Ärztin auf Augenhöhe begegnen. Zugleich kann Shared Decision Making die Patientensicherheit erhöhen, denn eine verbesserte Arzt-Patienten-Kommunikation reduziert Missverständnisse und vermeidet Behandlungsfehler“, begründete Thomas Ballast, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der TK, das Engagement seiner Krankenkasse. „Deshalb haben wir uns entschieden, eine Vorreiterrolle zu übernehmen und Shared Decision Making gemeinsam mit dem UKSH zu unterstützen.“

Das SHARE TO CARE-Programm besteht aus vier Modulen: 1. Training für Ärztinnen und Ärzte, 2. Entscheidungshilfen, 3. Einbindung aller Pflegekräfte, 4. Aktivierung der Patientinnen und Patienten. Die Evaluation ergab, dass das SHARE TO CARE-Programm sowohl praktikabel als auch wirksam ist. Die vier Module wurden am Campus Kiel des UKSH in 19 von 22 Einzelkliniken erfolgreich implementiert – trotz der durch die Corona-Pandemie besonders angespannten Situation. Dabei wurden für 80 medizinische Fragestellungen Entscheidungshilfen erarbeitet, die sowohl wissenschaftlich fundiert als auch gut verständlich sind.

Die Ärztinnen und Ärzte der Klinik absolvierten nicht nur die Gesprächstrainings, sondern brachten ihr Wissen auch in die Erstellung der Entscheidungshilfen ein. Dieses große Engagement hat sich gelohnt: „Dass man strukturiert auf eine gemeinsame Entscheidung, die der Patient auch als seine Entscheidung wahrnimmt, hinarbeitet, ist schon etwas, was extrem hilfreich im Alltag ist und was langfristig sogar auch Zeit sparen kann“, sagte Daniela Berg, Direktorin der Klinik für Neurologie am UKSH Kiel.

Die unabhängige Evaluation des Projekts zeigt, dass Ärztinnen und Ärzte besser kommunizierten und Patientinnen und Patienten gesundheitskompetenter wurden und sich mehr beteiligten. Nach der Implementierung fielen die Gesamtkosten sowie die Notfalleinweisungen geringer aus.

So forderte Klaus Rupp, Leiter des Versorgungsmanagements der TK: „Die gemeinsame Entscheidungsfindung muss zum Standard im Klinikalltag werden. Unsere aktuelle Lösung über einen Selektivvertrag ist ausdrücklich nur eine Übergangslösung, bis es eine regelhafte Lösung für die gesamte gesetzliche Krankenversicherung gibt.“

Auch Projektleiter Friedemann Geiger vom Nationalen Kompetenzzentrum SDM zeigte sich zuversichtlich, dass das Projekt erfolgreich eine Perspektive für die deutsche Gesundheitsversorgung aufgezeigt hat: „Der Innovationsfonds hat uns die Möglichkeit gegeben, zu zeigen, dass man Shared Decision Making systematisch in kompletten Krankenhäusern implementieren kann. Jetzt geht es darum, dass wir Shared Decision Making in die bundesweite Regelversorgung bringen. Das Nationale Kompetenzzentrum unterstützt das, und sichert dabei die Prozess- und Ergebnisqualität.“

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