- Produktion im Maschinen- und Anlagenbau steigt 2021 um 7 Prozent
- Produktionsprognose 2022 erhöht auf plus 7 Prozent
- Umfrage: Materialengpässe dauern mindestens bis ins zweite Quartal 2022 an
- Geplanter Stellenaufbau wird von Fachkräftemangel gebremst
- Klimaschutz braucht einen internationalen Klimaclub mit ambitionierten Zielen
- Freihandelsabkommen dürfen nicht überfrachtet werden
„Der Maschinen- und Anlagenbau in Deutschland hat sich in einem schweren Jahr 2021 hervorragend geschlagen und geht trotz der Corona-Pandemie mit reichlich Zuversicht in die kommenden Monate.“ Dieses Fazit zog VDMA-Präsident Karl Haeusgen auf der Online-Jahrespressekonferenz des Verbands. Um die gewaltigen Herausforderungen in Deutschland, Europa und der Welt zu meistern, brauche es vor allem den technischen Fortschritt – insbesondere zur Bekämpfung des Klimawandels. „Der mittelständisch geprägte Maschinen- und Anlagenbau nimmt hier mit seiner technologischen Kompetenz eine Schlüsselrolle ein. Ohne den Maschinen- und Anlagenbau ist Klimaschutz nicht machbar! Deshalb stehen wir als Partner des Fortschritts zur Verfügung“, sagte Haeusgen auch mit Blick auf die neue Bundesregierung. Der VDMA-Präsident betonte, die Industrie und der VDMA stünden der Politik als konstruktiver Ansprechpartner für die anstehende Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft zur Verfügung.
Produktionsvolumen 2021 erreicht 219 Milliarden Euro
Trotz gut gefüllter Auftragsbücher werden sich die Produktionserwartungen im Maschinen- und Anlagenbau für 2021 nicht vollständig erfüllen. Während die Auftragseingänge in den ersten zehn Monaten des laufenden Jahres um real 34 Prozent zulegten, stieg die Produktion im selben Zeitraum schwächer als erhofft um real 7,2 Prozent. „Wir hätten mehr produzieren können, wären die verschiedenen Lieferengpässe nicht so hartnäckig gewesen“, erläuterte Haeusgen. Die VDMA-Volkswirte schätzen daher das Produktionswachstum 2021 – abweichend von ihrer Prognose aus dem September von plus 10 Prozent – auf nunmehr preisbereinigt plus 7 Prozent zum Vorjahr. Das entspricht einem Wert von rund 219 Milliarden Euro. „Damit sind wir zwar noch nicht wieder auf Vor-Corona-Niveau, nähern uns diesem aber stetig an“, erläuterte Haeusgen. Mehr noch: Da die Unternehmen davon ausgehen, den hohen Auftragsbestand im kommenden Jahr abarbeiten zu können, erhöht der VDMA die Produktionsprognose für 2022 von bisher plus 5 Prozent auf plus 7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Blitzumfrage: Elektronik-Komponenten und Metalle fehlen
Die aktuellen Schwierigkeiten in den Lieferketten zeigen auch die Ergebnisse der 12. VDMA-Blitzumfrage mit dem Schwerpunkt Materialmangel von Anfang Dezember, an der 521 Mitgliedsunternehmen teilnahmen. 84 Prozent der befragten Firmen spüren demzufolge noch immer merkliche oder sogar gravierende Beeinträchtigung der Lieferketten – das ist in etwa derselbe Wert wie in der Umfrage aus dem September. Den Betrieben mangelt es vor allem an Elektronik-Komponenten (86 Prozent der Unternehmen berichten von merklichen oder gravierenden Problemen) und Metallen (65 Prozent sehen merkliche oder gravierende Probleme). Der Blick nach vorn zeigt, dass eine Entspannung noch eine Zeitlang auf sich warten lässt: 38 Prozent der Unternehmen rechnen für die kommenden drei Monate mit einer zunehmenden Beeinträchtigung, 57 Prozent mit keiner Veränderung. Dies gilt insbesondere für Elektronikkomponenten. Eine weitgehende Entschärfung der Lage wird frühestens im zweiten Quartal 2022 erwartet, bei Elektronikkomponenten rechnen die Unternehmen mit einer Entspannung nicht vor dem dritten Quartal 2022.
Beschäftigung im Corona-Jahr weitgehend gehalten
Auch im zweiten Corona-Jahr hat sich der mittelständisch geprägte Maschinen- und Anlagenbau als Garant für sichere Arbeitsplätze erwiesen. Im September 2021 beschäftigten die Unternehmen rund 1,01 Millionen Menschen (Betriebe ab 50 Mitarbeiter) in ihren inländischen Stammbelegschaften. Trotz der Pandemie mit ihren schwerwiegenden Folgen bedeutet dies nur einen leichten Abbau von 1,9 Prozent zum Vorjahr. „Das ist ein starkes Signal! Wir sind und bleiben der größte industrielle Arbeitgeber im Land“, betonte Haeusgen. Mehr noch: 67 Prozent der Unternehmen planen laut einer aktuellen VDMA-Umfrage zur Beschäftigung im Maschinenbau sogar einen – überwiegend moderaten – Aufbau der Stammbelegschaft im kommenden Jahr. Allerdings erweisen sich der Fachkräftemangel und der demografische Wandel immer mehr als Wachstumshemmnis; laut Umfrage werden sie als größte Herausforderung des Maschinenbaus in den nächsten Jahren gesehen – noch vor der Digitalisierung und der Dekarbonisierung. 70 Prozent der Unternehmen leiden demnach unter merklichem oder gravierendem Fachkräftemangel.
Staatshaushalte brauchen wieder mehr finanziellen Spielraum
Die Corona-Pandemie bleibt auf Sicht auch für die Maschinenbau-Betriebe die größte Herausforderung im Tagesgeschäft. „Wir unterstützen daher alle Appelle, sich impfen zu lassen!“, betonte der VDMA-Präsident. Die Politik habe die einzigartigen Herausforderungen der Pandemie bisher gut angenommen und bekämpft, lobte er. Mit Blick nach vorne gelte nun jedoch: „Die Grundvoraussetzung für die weitere Bekämpfung der Krise sind solide Staatshaushalte mit finanziellem Spielraum. Um zu jenen soliden Staatsfinanzen zurückzukehren, ist jetzt der Ausstieg aus den Hilfsprogrammen zu forcieren. Mitnahme- und Gewöhnungseffekte müssen vermieden werden.“ Haeusgen warnte auch vor leichtfertigen Rufen nach „strategischer Autonomie“ und „technologischer Souveränität“. „Solche Begriffe erfordern klare Definitionen und Kriterien, damit unternehmerische Entscheidungen und die Offenheit der Märkte nicht untergraben werden. Aktuelle Materialengpässe zum Beispiel rechtfertigen keine Abschottung“, mahnte er.
Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren
Der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung behandelt nach Ansicht des VDMA viele Themen, für die sich die Maschinenbauindustrie ebenfalls engagiert. Die größten Herausforderungen werden in den kommenden Jahren die Erreichung der Klimaziele und die dafür nötige Transformation der Industrie sein, sowie die Positionierung der EU in der Triade mit den USA und China. „Wir brauchen zur Erreichung der Klimaziele den deutlich schnelleren Ausbau der Erneuerbaren Energien. Dazu braucht es eine Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren“, bekräftigte Haeusgen. Der VDMA unterstützt daher die im Koalitionsvertrag vorgesehene Marschroute, wonach es bei der Schutzgüterabwägung einen zeitlich befristeten Vorrang für Erneuerbare Energien geben soll. „Zusammen mit einer besseren Ausstattung von Behörden und einer Harmonisierung von Verfahren, sowie verbindlichen Regeln zur Ausweisung von Flächen, kann das der entscheidende Hebel werden, die Klimaziele zu erreichen“, sagte Haeusgen.
Darüber hinaus setzt der VDMA darauf, dass Erdgas auch künftig als wichtiger Energieträger und „Brücken-Rohstoff“ auf dem Weg zu einer grünen, nachhaltigen Wasserstoffwirtschaft eingesetzt wird. Zudem forderte Haeusgen, dass die Bundesregierung ihre angekündigte Klima-Außenpolitik für eine Initiative zur Gründung von Klimapartnerschaften sowie eines für alle Staaten offenen internationalen Klimaclubs nutzt.
Mittelstand braucht Reform der Exporthilfen
Lob verteilte der VDMA-Präsident für die Bereitschaft der neuen Bundesregierung, die Außenwirtschaftsförderung zu stärken. „Die von uns schon lange geforderte stärkere Exportunterstützung brauchen insbesondere kleinere und mittlere Unternehmen in Form von Hermes-Deckungen im Bereich der sogenannten Small Tickets“, erläuterte Haeusgen. Auch das Vorhaben, europäische Unternehmen besser vor der extra-territorialen Anwendung von Sanktionen durch Drittstaaten zu schützen und gegen unfaire Handelspraktiken auf dem EU-Binnenmarkt vorzugehen, werde vom VDMA unterstützt.
„Bei den für eine exportstarke Industrie so wichtigen Freihandelsabkommen schießt die Ampel-Koalition dagegen leider über das Ziel hinaus“, ergänzte Haeusgen. Grundlage des Freihandels sollen laut Ampel-Koalition in Zukunft faire soziale, ökologische und menschenrechtliche Standards sein, die rechtlich verpflichtend sind. „Freihandelsabkommen dürfen aber nicht mit anderen Politikfeldern überfrachtet werden! Nicht alle Partnerländer teilen unser Ambitionsniveau von Nachhaltigkeitsstandards“, warnte der VDMA-Präsident.
Exportdynamik nach China lässt nach, USA und Europa mit Schwung
Für den mittelständischen Maschinen- und Anlagenbau sind die drei großen Wirtschaftsblöcke Europa, USA und China die wichtigsten Absatzmärkte, zusammen machen sie gut 80 Prozent aller Exporte aus. Während sich die Wachstumsdynamik in China im Lauf des Jahres 2021 nach einem starken Start zuletzt abgeschwächt hat, sorgen die Konjunkturprogramme in den USA und Europa für weiterhin gute Exportchancen. Insgesamt legten die Ausfuhren der Maschinen- und Anlagenbauer in den ersten drei Quartalen des laufenden Jahres um 11 Prozent zu. „Wir sehen aber mit Sorge die wieder zunehmenden Spannungen im Verhältnis von China und den USA, ebenso wie die unveränderte Blockade einer WTO-Reform und extra-territorial wirkende Sanktionen“, sagte Haeusgen. Hinzu kommt, dass die chinesische Regierung immer stärker eine technologische Autarkie bei Schlüsseltechnologien anstrebt. „Damit wird für ausländische Unternehmen in China das Geschäftsumfeld tendenziell schwieriger. Insgesamt wird es für den Maschinenbau zunehmend herausfordernder, sich auf diesen Märkten zu behaupten. Die Firmen müssen daher verstärkt prüfen, ob und wie sie sich in den einzelnen Regionen künftig aufstellen und ihre Lieferketten gestalten“, erläuterte der VDMA-Präsident.
EU-Taxonomie benachteiligt Maschinenbauindustrie
Kritisch bewertet Haeusgen aktuelle Entwicklungen in der Europapolitik. Der VDMA unterstützt zwar die europäische Idee und den Binnenmarkt voll und ganz. Zudem sieht der Verband im Green Deal einen enorm wichtigen Beitrag zum Klimaschutz. „In der Umsetzung der Ziele läuft aus unserer Sicht derzeit allerdings einiges falsch. Exemplarisch kann man hierzu den delegierten Rechtsakt zur Taxonomie nennen. Die für den grünen Wandel so wichtigen Maschinenbautechnologien kommen hier nur am Rande vor, mit der Folge, dass wir von Nachteilen bei der Finanzierung in der Zukunft ausgehen müssen“, kritisierte Haeusgen. Dies sei angesichts der Tatsache, dass fast 90 Prozent der Treibhausgasemissionen durch Maschinenbautechnologien beseitigt werden können, eine eindeutige Fehlsteuerung.
Auch die sehr kritische Haltung im Europäischen Parlament und in vielen Mitgliedstaaten zum Freihandel ist für die exportorientierte Maschinenbauindustrie ein großer Grund zur Sorge. „Den Vorschlag aus Frankreich, die Verhandlungen zu sämtlichen Freihandelsabkommen bis zum Ende der französischen Präsidentschaftswahlen auf Eis zu legen, sehen wir äußerst kritisch“, betonte Haeusgen. „Wenn ein solches Vorgehen Schule macht und Mitgliedstaaten aus Rücksichtnahme auf innenpolitische Vorgänge die Verhandlungen stoppen können, kommt die EU als internationaler Verhandlungspartner praktisch nicht mehr in Frage“, warnte der VDMA-Präsident.
Der VDMA vertritt mehr als 3400 deutsche und europäische Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus. Die Industrie steht für Innovation, Exportorientierung und Mittelstand. Die Unternehmen beschäftigen rund vier Millionen Menschen in Europa, davon mehr als eine Million allein in Deutschland. Der Maschinen- und Anlagenbau steht für ein europäisches Umsatzvolumen von rund 800 Milliarden Euro. Im gesamten Verarbeitenden Gewerbe trägt er mit einer Wertschöpfung von rund 270 Milliarden Euro den höchsten Anteil zum europäischen Bruttoinlandsprodukt bei.
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