56. Symposium Einkauf und Logistik DIGITAL am 10. November nach dreitägiger Dauer beendet. Unter dem Veranstaltungsmotto „#newhorizons“ diskutierten 900 Teilnehmer:innen auf einer virtuellen Plattform die Chancen und Risiken gegenwärtiger und künftiger Beschaffungsstrategien.

Die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf Einkauf, Logistik und Supply Management sind gravierend. Sie werden die internationalen Lieferketten noch bis weit ins nächste Jahr belasten. Die Corona-Krise hat die Schwachstellen in den Beschaffungsprozessen der Unternehmen offengelegt. Jetzt geht es für den Einkauf darum, die richtigen Lehren daraus zu ziehen. Die Bildung von Task Forces, der konsequente Einsatz digitaler Technologien unter Verwendung von Data Analytics und KI, strenges Kostenmanagement sowie vorausschauendes Risiko- und Lieferantenmanagement sind deshalb für ihn ein Must-have. Mit diesen Instrumenten kann er Störungen in den Betriebsabläufen frühzeitig erkennen, Schaden vom eigenen Unternehmen abwenden und nachhaltige Wettbewerbsvorteile erzielen. Das sind zentrale Ergebnisse des 56. BME-Symposiums Einkauf und Logistik DIGITAL, das am Mittwoch (10. November) nach dreitägiger Dauer erfolgreich zu Ende gegangen ist.

Die größte Netzwerkveranstaltung des BME stand in diesem Jahr unter dem Motto „#newhorizons – den Blick auf das Next Normal richten!“. Auf der virtuellen Fachkonferenz diskutierten 900 Teilnehmer:innen über die gegenwärtigen und zukünftigen Beschaffungsstrategien in einer sich dramatisch verändernden globalen Geschäftswelt.

In den täglichen Plenen, interaktiven Workshop-Formaten und themenbezogenen Chat-Foren sowie den Statements der mehr als 140 Referent:innen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik spielte die Analyse der vergangenen anderthalb Corona-Jahre sowie ein erster vorsichtiger Blick in die Post-Corona-Welt eine große Rolle. Es wurde daran erinnert, dass im Verlauf der Pandemie unterschiedliche Schocks auf die Lieferketten einwirkten. So habe es zu Beginn der Corona-Krise vor allem auf der Nachfrageseite erhöhte Bedarfe – beispielsweise von Hygiene-und Desinfektionsmaterial –, gegeben, die nicht sofort abgedeckt werden konnten. In der zweiten Phase waren dann viele Lieferanten aufgrund staatlicher Lockdown-Maßnahmen entweder nicht mehr erreichbar oder in ihrem Bewegungsspielraum stark eingeschränkt. International eng vernetzt litten sie vor allem unter dem Shutdown ganzer Volkswirtschaften, in deren Folge zeitweilig Grenzen geschlossen sowie Straßen und Häfen gesperrt wurden.

Dr. Julia Hartmann, Professorin für nachhaltiges Supply Chain Management an der EBS Business School, sagte dazu: „2020 und 2021 haben deutlich gezeigt, wie fragil unsere globalen Wertschöpfungsketten geworden sind. Gleichzeitig lernen wir die Relevanz von Risikomanagement neu zu schätzen. Das Problem dabei ist, dass dieses wichtige Instrument zur Krisenabwehr komplett unattraktiv ist.“ Denn damit lasse sich kein einziger neuer Kunde gewinnen; Risikomanagement bringe dem Einkauf auch keinerlei Einsparungen. Ganz im Gegenteil. Schließlich gehe es darum, Second Sources aufzubauen und Notfallpläne zu entwickeln. All das sei nach Frau Hartmanns Meinung im Tagesgeschäft in der Vergangenheit untergegangen oder wurde stets anderen, dringlicheren Themen geopfert. Hier sei aber mittlerweile vielen klargeworden, dass das langfristig nicht so bleiben könne. Das gelte vor allem für die Liefermärkte, in denen es derzeit anhaltende Engpässe bei Rohstoffen und Vorprodukten gibt.

Für Bernd Lüddemann, Head of Procurement Electronics & Projects der SEW-EURODRIVE GmbH & Co KG, ist das Risikomanagement ein fester Bestandteil des Lieferantenmanagements. Schlüsselfaktoren für ein erfolgreiches Risikomanagement seien für ihn die richtige Lieferantenauswahl (Identifikation und Bewertung durch Integrated Supplier Application – ISA, Lieferantenaudit), Frühwarnindikatoren (Bonitätsüberwachung, operative und strategische Lieferantenbeurteilung, effektives Lieferantenmanagement (enge Verzahnung von Risiko- und Lieferantenmanagement) und schnelle Entscheidungen des Einkaufs, wenn Maßnahmen gegen ein Risiko ergriffen werden müssen.

Breiten Raum nahm auch die Diskussion der Frage ein, wie der Einkauf Krisen am besten meistern kann. Bart Ader, Vice President Corporate Supply Chain der MANN + HUMMEL Gruppe, nannte in diesem Zusammenhang eine gut funktionierende Kommunikation als ein erfolgreiches Mittel zur Krisenbewältigung seines Unternehmens. So gebe es jetzt täglich Task Force Meetings, einen Management Report-Out sowie regelmäßige enge Abstimmungsrunden zwischen Einkauf und Logistik.

Eines der Top-Themen des diesjährigen BME-Symposiums war das Ringen des Einkaufs um mehr Nachhaltigkeit. Hier hat sich die Beiersdorf AG ehrgeizige Umweltziele gesetzt, wie Julia Niedermeier, Global Category Manager Sustainable Packaging, und Maren Segelken, Global Category Manager Logistics Procurement, in ihren Präsentationen erläuterten. Danach will der in Hamburg ansässige Konsumgüterhersteller eigenen Angaben zufolge bis 2025 die Emissionen in der gesamten Wertschöpfungskette um 30 Prozent reduzieren. Ebenfalls bis dahin soll die Kreislaufwirtschaft vorangetrieben und der Anteil neuer Kunststoffe fossilen Ursprungs in den Beiersdorf-Verpackungen um 50 Prozent gesenkt werden. Ein weiteres Ziel sei, dass die Verpackungen in vier Jahren 100-prozentig recycelbar oder wiederverwendbar sind. Bis 2030 sollen dann die Produktionsstandorte des Unternehmens klimaneutral sein.

Großes Interesse fand gleich am ersten Kongresstag ein Vortrag zum Thema „Fit für das Lieferkettengesetz – Nachhaltige, transparente Lieferketten schaffen“. Simon Jaehnig, Head of Sales & Partner Management der Integrity Next GmbH, stellte Ergebnisse einer gemeinsam mit dem BME durchgeführten Umfrage vor. Danach seien bereits viele Einkaufsabteilungen auf einem guten Weg. So antworteten 83 Prozent der Befragten auf die Frage, ob sie bereits heute eine Evaluierung hinsichtlich Nachhaltigkeitsaspekten bei Ihren Lieferanten durchführten mit „Ja, teilweise“ (47 Prozent), „in Planung“ (21 Prozent) und „Ja, bei allen unmittelbaren Lieferanten“ (15 Prozent). Bei der Implementierung eines Risikomanagementsystems zur Identifizierung von Nachhaltigkeitsrisiken (beispielsweise Menschenrechtsverletzungen) in ihren Lieferketten waren es 57 („Ja“ 16, „in Planung“ 41) Prozent.

Den Umfrage-Ergebnissen von BME und Integrity zufolge trauen die Unternehmen ihrer Beschaffung zu, Enabler für nachhaltige, transparente Lieferketten zu sein. 59 Prozent der Befragten gaben die Einkaufsabteilung als den Bereich an, der in ihrem Betrieb die Führung bei Schaffung nachhaltiger, transparenter Lieferketten übernimmt.

Auf dem Abschlussplenum des diesjährigen BME-Symposiums stand die Frage im Raum, welche Erwartungen die CPOs namhafter Unternehmen an den Einkauf der Zukunft haben und welche Strategien sie damit verbinden. Jan Grothe, CPO der Deutschen Bahn AG und Mitglied des BME-Bundesvorstandes, stellte dabei das Konzept „DB Beschaffung 2025“ vor. Darin seien die Leitplanken der DB Beschaffung definiert. Danach will sein aus 1.300 Einkäufer:innen bestehender Bereich ganzheitlicher, intuitiver und nachhaltiger werden. Ein weiteres Ziel der DB-Beschaffung sei, den Systemverbund Bahn „mit innovativen Lösungen, wirtschaftlichen Preisen und verbesserter Kooperation mit unseren Lieferanten zu optimieren“, kündigte Grothe an.

Angesichts der anhaltenden Lieferkettenprobleme der Industrie sei auch für den Einkauf der Deutschen Bahn „stabile Versorgung mehr denn je ein zentraler Wert“, so Grothe weiter. Die DB-Beschaffung könne „nur mit TCO-Betrachtung (Total Cost of Ownership) über klassische Einsparungen hinaus erfolgreich sein“, fügte der DB-Chefeinkäufer hinzu. Die Zukunft erfolgreicher Geschäftsbeziehungen liege nach Grothes Meinung in der „intelligenten und intuitiven Vernetzung mit unseren Lieferanten“. Der digitale Beschaffungsprozess mit systemischer Anbindung an die Lieferanten sei alternativlos. Grothe: „2023 wird es keinen DB-Lieferanten ohne Mindesterfüllung unserer Corporate-Social-Responsibility-Kriterien geben.“

Die ambitionierten Nachhaltigkeitsziele der Deutschen Bahn wolle die DB-Beschaffung im engen Schulterschluss mit zukunftsorientierten und nachhaltigen Lieferanten sowie im Einklang mit Lieferketten-, Kreislaufwirtschafts- und Klimaschutzgesetz erreichen. Dazu gehöre unter anderem die aktive Mitgestaltung der Verkehrswende in Deutschland mit CO2 als neuer Währung.

Isabel Hochgesand, CPO der Beiersdorf AG, informierte, dass der Einkauf des Unternehmens seit 2017 einen Transformationsprozess durchlaufe. Mit Blick auf 2022 sprach sie von vier vorrangigen Prioritäten: Digitalisierung, Nachhaltigkeit, externe Partnerschaften und Personalpolitik. Bei der Digitalisierung gehe es im nächsten Jahr vorrangig um die Entwicklung und Umsetzung eines digitalen Fahrplans als Blue Print für Lieferketten und Finanzen. Zur Steigerung der Nachhaltigkeit im Einkauf sollen der CSR-Fahrplan umfassend vorangetrieben und solide Beschaffungspläne entwickelt werden. Im Umgang mit den Beiersdorf-Lieferanten stehe die Erkundung neuer Partnerschaftsmodelle entlang der Wertschöpfungskette an. Last but not least werde man den Beschäftigten des Konzerns beim weiteren Teambuilding helfen.

Im Einkauf des Konsumgüterherstellers sind global 270 Beschäftigte aus mehr als 50 Nationen tätig; über 60 Prozent davon Frauen und von ihnen 50 Prozent in Führungspositionen. Isabel Hochgesand verantwortet ein jährliches Beschaffungsvolumen in Höhe von 3,5 Milliarden Euro mit 110 Warengruppen. Ihr Bereich unterhält Geschäftskontakte zu 20.000 Lieferanten weltweit.

Ralf Schulz, Partner der h&z Unternehmensberatung AG, sagte zur Zukunft des Einkaufs: Dieser stehe „vor neuen Herausforderungen, die ein neues Zielsystem, ein neues Denken und eine neue Ausrichtung erfordern“. Damit gewinne der Einkauf aber auch eine neue Daseinsberechtigung. Er müsse künftig widerstandsfähige Prozesse, Strukturen und Fähigkeiten aufbauen; gleichzeitig flexibel sein und sich an die ständig wechselnden Umfelder anpassen. Vor allem aber müsse er nach Ansicht von Ralf Schulz „eine echte Wirkung für das Geschäft mitbringen“. Dazu gehöre die Generierung von Wertbeitrag und von Nachhaltigkeit.

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