In einem offenen Brief an den Präsidenten des Umweltbundeamtes, Prof. Dr. Dirk Messner, fordert eine Verbändeallianz das Umweltbundesamt (UBA) auf, die Ergebnisse von Studien zu Biokraftstoffen richtig wiederzugeben und es zukünftig zu unterlassen, Studienaussagen ins Gegenteil zu verdrehen. Zudem wollen die Verbände erreichen, dass das UBA in seinen Veröffentlichungen die wissenschaftliche Position des Weltklimarates IPCC berücksichtigt und nicht wie bisher lediglich veraltete eigene Untersuchungen heranzieht. Im Kern geht es um die Anrechnung von Emissionen aus sogenannten indirekten Landnutzungsänderungen auf die Treibhausgasbilanz von Biokraftstoffen. Konkret wenden sich die Verbände gegen negative und aus ihrer Sicht tendenziöse Aussagen zu Biokraftstoffen aus Anbaubiomasse im behördeneigenen „Subventionsbericht 2021“. Die Autoren des UBA-Berichts behaupten darin, indirekte Effekte durch den Rohstoffanbau für Biokraftstoffe führten zur schwerwiegenden Verschlechterung der Treibhausgasbilanz mit Verweis auf eine Studie   aus dem Jahr 2020. Diese bestätigt jedoch, dass es unmöglich ist, indirekte Effekte zu bestimmen, so dass diese nicht in die Treibhausgasbilanz von Biokraftstoffen einbezogen werden können. „Es drängt sich der Eindruck auf, dass das UBA mit dem einseitigen pauschalen Befund, Biokraftstoffe aus Anbaubiomasse seien klimaschädlich und ihre ordnungspolitische Unterstützung sei daher als „umweltschädliche Subvention“ einzustufen, im politischen Meinungsstreit einseitig Stellung bezieht“, schreiben die Verbände in ihrem Brief. Das UBA ist eine dem Bundesumweltministerium nachgeordnete Behörde, die in seiner Arbeit wissenschaftlichen Standards verpflichtet ist.

Das Amt widerspricht in seinem „Subventionsbericht 2021“ zudem dem Weltklimarat IPCC mit Erkenntnissen zur Anrechnung von Emissionen durch indirekte Effekte auf die Treibhausgasbilanz von Bioenergie. Der Weltklimarat fasst den Stand der Forschung zusammen, indem er im „IPCC Special Report Climate Change and Land“ im Jahr 2019 feststellt, dass es wissenschaftlich kaum begründbar sei, indirekte Emissionen der Bioenergie zuzurechnen. Hiergegen setzt das UBA für seine eigene negative Einschätzung von Biokraftstoffen eine hauseigene Studie aus dem Jahr 2013, die mit Daten von 2010 bzw. 2011 erstellt wurde, sowie eine falsch wiedergegebene Studie aus dem Jahr 2020.

Die Verbändeallianz fordert für die Zukunft eine ideologiefreie Analyse und Interpretation von Daten insbesondere zu Anbaubiomasse. Studien sollten der wissenschaftlichen Praxis folgend entsprechend ihrer inhaltlichen Aussage wiedergegeben werden. Der aktuelle Stand der Forschung ist zu berücksichtigen. Es ist aus Sicht der Verbände nicht nachvollziehbar, warum das UBA als staatliche Institution weiterhin an einem unwissenschaftlichen und als Grundlage für gesetzliche Regelungen ungeeigneten methodischen Ansatz festhält.

Dabei haben die europäische und deutsche Gesetzgebung längst die öffentlich kritische Diskussion zu indirekten Landnutzungseffekten von Biokraftstoffen berücksichtigt, obwohl die Fachwelt sich einig ist, dass eine Ursache-Wirkungsbeziehung und konkrete Quantifizierung negativer Auswirkungen auf deren Treibhausgasbilanz nicht möglich ist. Deshalb werden die als iLUC-Faktoren bezeichneten rohstoffspezifischen Anlastungswerte bei der Treibhausgasbilanzierung lediglich im Rahmen der Berichterstattung verwendet und nicht als absolute Werte in die Berechnung mit einbezogen. Um dennoch iLUC-Effekte und hierdurch bedingte etwaige höhere Treibhausgasemissionen auszuschließen, dürfen Biokraftstoffe aus Palmöl ab 2030 nicht mehr auf Fördersysteme in der EU für Biokraftstoffe angerechnet werden. Zudem beschränkt die Erneuerbare Energien-Richtlinie der EU den zulässigen Anteil von Biokraftstoffen aus Anbaubiomasse grundsätzlich auf maximal 7 Prozent der im Straßenverkehr eingesetzten Energie. Die deutsche Gesetzgebung ist sogar noch strenger, denn hier liegt diese Kappungsgrenze bei 4,4 Prozent.  Die UBA-Position ist demzufolge rückwärtsgewandt, betonen die Verbände.

Hintergrund: Bei dem Konflikt dreht es sich um die so genannte iLUC-Theorie. ILUC steht für „indirect land use change“, also indirekte Landnutzungsänderungen. Die Befürworter der Theorie meinen, dass der Anbau von Rohstoffen für Biokraftstoffe die bisherige Ackernutzung verdrängt, zum Beispiel auf Wald- oder Torfmoorflächen. Die durch Rodung und Trockenlegung entstehenden CO2-Emissionen müssen sich nach der Theorie allein Biokraftstoffe anrechnen lassen. Doch indirekte Landnutzungsänderungen lassen sich weder beobachten noch messen. Die Wissenschaft ist sich einig, dass iLUC-Faktoren hochgradig unsicher sind: iLUC-Faktoren können 200 Prozent unter oder 1700 Prozent über dem Wert für fossile Kraftstoffe liegen. Selbst einen durchschnittlichen oder „in der Mitte liegenden“ iLUC-Faktor lehnen Wissenschaftler ab, da der Grad an Unsicherheit zu groß sei.

Vor diesem Hintergrund weisen die Verbände wiederholte Initiativen des Bundesumweltministeriums mit Nachdruck zurück, Biokraftstoffe aus Anbaubiomasse von der Anrechnung auf die THG-Minderungsverpflichtung schrittweise und schließlich ganz auszuschließen. Denn das Ministerium begründet seinen Vorstoß damit, dass dadurch auch angebliche „umwelt- und klimaschädliche Effekte wie indirekte Landnutzungsänderung reduziert“ würden.

Unterzeichnet haben den Brief der Deutsche Bauernverband (DBV), Bundesverband der Deutschen Bioethanolwirtschaft (BDBe), Bundesverband Bioenergie (BBE), Ovid – Verband der ölsaatenverarbeitenden Industrie in Deutschland, Union zur Förderung von Oel- und Proteinpflanzen (Ufop) und der Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB).

UBA: “Subventionsbericht 2021

IPCC Special Report Climate Change and Land, dort Seite 194

UBA Veröffentlichung 2013: „Globale Landflächen und Biomasse nachhaltig und ressourcenschonend nutzen

Daiogolou, V. u. a. (2020): Progress and Barriers in Understanding and Preventing Indirect Land-Use Change, Biofuels, Bioproducts and Biorefining 14, S. 924–934 https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/bbb.2124

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