Vor dem neuen „Windenergie-Senat“ am Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster hat es einen bemerkenswerten Vergleich gegeben (Aktenzeichen: 22 D 70/22.AK): Die Stadtwerke Münster, Mitglied im Landesverband Erneuerbare Energien NRW, sind der Errichtung einer seit längerem geplanten Windenergieanlage auf dem Gebiet der Stadt Lemgo (Kreis Lippe) einen sehr großen Schritt näher gekommen – genau dieses Windkraftwerk hatte die Bundeswehr versucht zu verhindern.
Gegen die Einzelanlage mit 5,7 Megawatt Leistung und einer Gesamthöhe von rund 200 Metern hatte die Bundeswehr über das ihr zugeordnete Bundesamt für Infrastruktur ein Veto im Genehmigungsverfahren eingelegt. Der vorgesehene Standort würde innerhalb des drei Kilometer breiten Sicherheitskorridors der militärischen Hubschrauber-Tiefflugstrecke Augustdorf liegen, weshalb ein „Gefährdungspotenzial für den Flugbetrieb“ bestehe, lauteten die Gründe für die Ablehnung. Die Bezirksregierung Münster als Luftaufsichtsbehörde für NRW folgte dieser Argumentation, weshalb der Kreis Lippe als zuständige Genehmigungsbehörde anschließend die immissionsschutzrechtliche Genehmigung verweigerte.
Eine Ablehnung, die für die Stadtwerke Münster aus gleich zwei Gründen unverständlich gewesen ist: Der vom Energieversorger ausgewählte Standort ist im Flächennutzungsplan der Stadt Lemgo als Windvorrangzone ausgewiesen. Gegen dessen Aufstellung hatte die Bundeswehr keine grundsätzlichen Bedenken geäußert. Außerdem sind bereits drei vergleichbar große Windenergieanlagen in demselben Sicherheitskorridor in Betrieb, der auch das Gebiet der Stadt Lage kreuzt.
Bei der Verhandlung vor dem OVG Münster einigten sich Stadtwerke Münster und Vertreter der Bundeswehr auf folgenden Vergleich: Die Bundeswehr gibt ihre Blockade gegen die geplante Windenergielage der Stadtwerke Münster auf. Deshalb hat die Luftaufsicht NRW unmittelbar nach dem Vergleich ihre Zustimmung für das Projekt erteilt. Auch der Kreis Lippe hat angekündigt, das zwischenzeitlich gestoppte Genehmigungsverfahren unverzüglich wieder aufzunehmen. Weitere Einigungen: die Stadtwerke Münster verzichten auf einen Schadensersatz für die entgangenen Windstromerlöse, die Bundeswehr trägt die Kosten des Verfahrens.
Bei dem Vergleichsbeschluss gibt eine wichtige Protokollnotiz: Danach besteht für die Bundeswehr künftig bei Streitigkeiten über Flugkorridore für Militärflugzeuge und –hubschrauber eine grundsätzliche Verpflichtung, die Verschiebung dieser Flurouten zu prüfen.
„Der Vergleich vor dem OVG hat Signalwirkung, denn damit wird eine neue Grundhaltung zu den Erneuerbaren Energien dokumentiert“, kommentiert Dr. Oliver Frank, Fachanwalt für Verwaltungsrecht bei der Lippstädter Kanzlei Engemann und Partner (Mitglied im LEE NRW), das Urteil. „Mit dem novellierten Erneuerbare-Energien-Gesetz hat der Bundesgesetzgeber im vergangenen Jahr ausdrücklich festgelegt, dass Erneuerbare Energien im überragenden öffentlichen Interesse liegen und der öffentlichen Sicherheit dienen.“ Das OVG-Verfahren hätte es nach Einschätzung von Rechtsanwalt Frank überhaupt nicht geben müssen: „Der Sicherheitskorridor hätte leicht um einige hundert Meter nach Osten verschoben werden können, ohne dass die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands gefährdet worden wäre.“
Der positive Vergleich für die neue Windenergieanlage in Lemgo muss, so LEE NRW-Geschäftsführer Christian Mildenberger, „bei der Bundeswehr eine Zeitenwende in ihrem Verhältnis zu Erneuerbaren Energien einläuten.“ Die Bundeswehr zählt hierzulande zu den größten Windkraft-Verhinderern. Nach einer zuletzt im Januar 2022 veröffentlichten Umfrage vom Bundesverband Windenergie blockierte die Bundeswehr in diesem Zeitraum 953 Anlagen mit etwa 4.800 MW Leistung. Auf NRW entfielen davon 178 Windkraftwerke mit gut 840 MW Leistung.
Christian Mildenberger: „Neben Niedersachsen ist NRW das Bundesland, wo die Bundeswehr die meisten Windenergieanlagen verhindert. Das wird sich hoffentlich nach dem jüngsten Vergleich vor dem OVG Münster ändern.“
Als Dachverband der Erneuerbare-Energien-Branche in Nordrhein-Westfalen bündelt der LEE NRW die Interessen aus allen Bereichen der Energiewende. Zum Verband zählen mittelständische Unternehmen, Verbände und Bürger. Das gemeinsame Ziel: 100% Erneuerbare Energien bis 2045 – in den Bereichen Strom, Wärme und Verkehr. Dafür engagieren sich auch fünf LEE-Regionalverbände als kompetente Ansprechpartner vor Ort. Denn im Energieland Nr. 1 ist die Branche wichtiger Arbeitgeber für 46.000 Beschäftigte, die 2017 ein Umsatzvolumen von 10 Mrd. Euro erwirtschafteten.
Landesverband Erneuerbare Energien NRW e.V.
Marienstraße 14
40212 Düsseldorf
Telefon: +49 (211) 9367-6060
Telefax: +49 (211) 9367-6061
http://www.lee-nrw.de
Pressesprecher
Telefon: +49 (211) 9367-6064
E-Mail: ralf.koepke@lee-nrw.de