Die digitale Transformation weckt Hoffnung auf IKT-gestützten Klimaschutz und eine verbesserte Energieeffizienz in der Produktion. Allerdings verbrauchen Informations- und Kommunikationstechnologien Energie, und daher rücken mögliche nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt zunehmend in den Vordergrund. Eine aktuelle Analyse des ZEW Mannheim und der Universität Göttingen von mehr als 28.700 deutschen Unternehmen liefert neuste Erkenntnisse zur Beziehung zwischen digitalen Technologien und Energieverbrauch im verarbeitenden Gewerbe. Da das verarbeitende Gewerbe für einen großen Teil der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich ist, ist die Verbesserung seines ökologischen Fußabdrucks besonders wichtig. So entfielen nach Angaben der Internationalen Energieagentur im Jahr 2020 26 Prozent der weltweiten CO2 Emissionen und 38 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs auf das verarbeitende Gewerbe. Neue digitale Technologien, wie intelligente Sensoren und Weiterentwicklungen in der Datenanalyse, bieten die Möglichkeit Energie und Ressourcen effizienter zu nutzen und so diese einzusparen. Die Politik hofft, dass sich hierdurch die Produktivität im verarbeitenden Gewerbe steigern lässt, während gleichzeitig Energieverbrauch und Treibhausemissionen sinken. „Dieser Zusammenhang zwischen digitalen Technologien und Energieverbrauch ist keineswegs so eindeutig, wie es auf den ersten Blick scheint“, sagt Janna Axenbeck, Wissenschaftlerin im ZEW-Forschungsbereich „Digitale Ökonomie“ und Ko-Autorin der Studie. Da immer mehr digitale Geräte produziert, verwendet und entsorgt werden, rücken allmählich die negativen Auswirkungen auf die Umwelt stärker in den Blickpunkt. Wie genau die Beziehung zwischen digitaler Transformation und Umweltnutzen aussieht, wird in der Wissenschaft diskutiert – empirische Evidenz liegt bislang allerdings kaum vor. In einer aktuellen Studie befassen sich Wissenschaftler/innen des ZEW Mannheim und der Universität Göttingen erstmalig mit diesem Thema. Sie analysieren mehr als 28.700 in Deutschland ansässige Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes. Datenquelle sind die „Amtlichen Firmendaten für Deutschland“ (AFiD), die es ermöglichen, Mikrodaten der Wirtschafts- und Umweltstatistiken zusammenzuführen. Untersucht werden die Jahre 2009 bis 2017. Hauptaugenmerk der Studie liegt auf den Unterschieden in der Energienachfrage auf Unternehmensebene beim Einsatz digitaler Technologien.

Stromverbrauch steigt am stärksten

Wie die Studie zeigt, existiert für die große Mehrheit der Unternehmen ein Trade-off zwischen dem Einsatz digitaler Technologien und absoluten Energieeinsparungen. Im Durchschnitt steigt in den Unternehmen mit zunehmendem Einsatz von IKT-Technologien der Energieverbrauch um 1,03 Prozent innerhalb eines Jahres an. Eine getrennte Analyse des Stromverbrauchs und des Verbrauchs nicht für die Stromerzeugung genutzter fossiler Brennstoffe zeigt, dass der Stromverbrauch mit 1,34 Prozent sogar noch stärker innerhalb eines Jahres zunimmt. Für den Verbrauch fossiler Brennstoffe hingegen kann kein signifikanter Effekt festgestellt werden. Die Ergebnisse legen also nahe, dass der Gesamtanstieg des Energieverbrauchs auf eine verstärkte Nutzung von Strom zurückzuführen ist – was einleuchtet, da digitale Technologien Strom verbrauchen. Anders als bisher angenommen scheinen digitale Technologien demnach den Energieverbrauch auf Unternehmensebene eher zu erhöhen als zu senken. „Immerhin gibt es beim Strom die Möglichkeit, von fossilen auf erneuerbare Energieträger umzusteigen. Dies könnte zur Dekarbonisierung der deutschen Wirtschaft beitragen“, fügt Ko-Autorin Anne Berner, Expertin für Statistik und Analysen bei der Deutschen Energie-Agentur (dena) und Wissenschaftlerin an der Universität Göttingen, hinzu.

Zielkonflikt zwischen Umweltpolitik und Wirtschaftsförderung

Die Analyse zeigt zudem, dass im Durchschnitt in kleinen und mittleren Unternehmen in strukturschwachen Regionen der Energieverbrauch stärker steigt als in großen Unternehmen in wirtschaftlich starken Regionen. „Dieses Ergebnis deutet auf einen politischen Zielkonflikt hin, und zwar zwischen der Senkung des Energieverbrauchs einerseits und der wirtschaftlichen Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen und Unternehmen in strukturschwachen Gebieten andererseits“, so Janna Axenbeck. Es ist weitere Forschung auf diesem Gebiet notwendig, um die Wechselwirkungen zwischen dem verstärkten Einsatz von IKT-Technologien und Energieverbrauch zu verstehen. Nur dann ist die Politik in der Lage, Richtlinien zur Förderung des technologischen Fortschritts und Instrumente zur Verringerung des Energieverbrauchs systematisch aufeinander abzustimmen. Download der Studie

Über ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH Mannheim

Das ZEW in Mannheim forscht im Bereich der angewandten und politikorientierten Wirtschaftswissenschaften und stellt der nationalen und internationalen Forschung bedeutende Datensätze zur Verfügung. Das Institut unterstützt durch fundierte Beratung Politik, Unternehmen und Verwaltung auf nationaler und europäischer Ebene bei der Bewältigung wirtschaftspolitischer Herausforderungen. Zentrale Forschungsfrage des ZEW ist, wie Märkte und Institutionen gestaltet sein müssen, um eine nachhaltige und effiziente wirtschaftliche Entwicklung der wissensbasierten europäischen Volkswirtschaften zu ermöglichen. Das ZEW wurde 1991 gegründet. Es ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Derzeit arbeiten am ZEW Mannheim rund 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, von denen rund zwei Drittel wissenschaftlich tätig sind.

Forschungsfelder des ZEW

Altersvorsorge und nachhaltige Finanzmärkte; Arbeitsmärkte und Sozialversicherungen; Digitale Ökonomie; Gesundheitsmärkte und Gesundheitspolitik; Innovationsökonomik und Unternehmensdynamik; Marktdesign; Umwelt- und Klimaökonomik; Ungleichheit und Verteilungspolitik; Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft.

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