Das Spritzgussverfahren ist hoch automatisiert und die Anlagen laufen rund um die Uhr. Die Maschinen stehen auch in Regionen, in denen es zu Stromunterbrechungen kommen kann bzw. die Stabilität der Stromnetzte nicht immer gegeben ist.
Stromunterbrechungen können teuer und zeitraubend sein – daher machte sich NETSTAL auf die Suche nach einer Lösung, um in der PET-Herstellung kosten- und materialschonend mit solchen Unterbrechungen umzugehen.
Trends in der PET Industrie
Die Geschichte der PET-Flasche (PET steht für "Polyethylenterephthalat") startete in den späten 1960er Jahren. Die internationale ‚Karriere‘ der PET-Flasche begann, als Coca Cola 1978 in den USA eine zwei-Liter Flasche einführte – damals noch ausgestattet mit einer Bodenschale, die aus einem anderen Material hergestellt wurde.
Heutzutage werden jährlich etwa 1,5 Billionen Getränkebehälter unterschiedlicher Größen und aus unterschiedlichen Materialien hergestellt – ein Drittel davon (500 Milliarden Stück) sind Getränkebehälter aus PET. 80% davon werden für Wasser und Süßgetränke mit Kohlensäure hergestellt. Für genau diesen Markt hat NETSTAL eine neue Baureihe konzipiert und 2020 auf den Markt gebracht: die PET-LINE – eine Anlage die übrigens besonders darauf ausgelegt wurde, uneingeschränkt recyceltes PET(rPET) verarbeiten zu können.
Durch die Tatsache, dass das Recycling-Konzept von PET-Behältern sehr ausgereift und weit verbreitet ist, hat die SUP (Single Use Plastics Directive) den PET-Ansatz nicht hinterfragt, wie es etwa bei Wattestäbchen oder Strohhalmen der Fall ist.
Darüber hinaus können PET-Behälter zu 100% aus recyceltem PET gemacht werden (kein Neumaterial notwendig) – die Nachfrage nach recyceltem PET ist extrem groß – größer als das Angebot.
Getränkeverpackung bzw. –Behälter aus PET sind im Höhenflug, der PET-Markt für Getränke-Behälter wächst im Schnitt um etwa 4% pro Jahr. PET wird ebenfalls vermehrt in der Lebensmittelverpackung eingesetzt, z. B. für die Herstellung von Obst- und Gemüseschalen. Stefan Kleinfeld, Product Manager bei NETSTAL: „In der Corona-Pandemie sind viele Veranstaltungen und Meetings weltweit ausgefallen. Die Menschen konnten nicht in den Urlaub fahren. Die Folge war ein massiver Einbruch beim Bedarf an PET-Behältern für Getränke – gerade bei den kleinen Flaschen (< 1 L), die den Löwenanteil der PET-Verpackungen ausmachen (etwa 80%). Jetzt zieht der Markt wieder an – und es wird auch wieder in neue Anlagen investiert, die Auftragslage ist sehr gut.“
NETSTAL Spritzgussmaschinen haben die Nase vorn, wenn es um Energiebedarf, Geschwindigkeit und Benutzerfreundlichkeit geht. So brauchen die Anlagen der neuesten Generation 10-15% weniger Energie als Anlagen der Konkurrenz bei vergleichbaren Prozessen und Bedingungen. NETSTAL Anlagen können nach nur wenigen Schulungstagen in Betrieb genommen werden – Grund dafür ist der NETSTAL Smart Operation-Ansatz: jede Anlage kann mit nur vier Bedienknöpfen gesteuert werden. Zudem sind die Anlagen der PET-LINE momentan die schnellsten am Markt: mit einer Lock-zu-Lock Zeit von 1,9 Sekunden bieten sie die schnellste Bewegungszeit und den höchsten Ausstoß – also: maximale Auslastung.
1981 brachte NETSTAL ihr erstes PET-System auf den Markt. Das Schweizer Unternehmen vertreibt ihre Spritzgussmaschinen für die PET-Industrie auch in Märkte und Regionen, in denen die Stabilität des Stromnetzes nicht immer gegeben ist bzw. es zu Stromschwankungen kommen kann. Und das sind durchaus lukrative Märkte, wie Länder in Süd-Amerika, Süd-Ost Asien etc. – Tendenz steigend. Um auch in solchen Regionen bei z. B. einem Stromausfall kontrolliert produzieren zu können, machte sich NETSTAL auf die Suche nach einer Lösung. Das theoretische Modell entwickelten die NETSTAL Ingenieure selbst, um die Umsetzung in die Praxis kümmerte sich KEBA Industrial Automation GmbH.
Spannungsfeld: immer mehr Leistung vs. instabile Stromnetze
Die neue PET-LINE hat einen hohen Elektrifizierungsgrad. Manuel Hausammann, Control Systems Engineer bei NETSTAL: „Wir arbeiten mit einer Nennleistung von bis zu 240 kW – die Leistung und der Ausstoß haben über die Jahre im Spritzguss immer mehr zugenommen. Es gibt jedoch nach wie vor viele Regionen mit instabilen Stromnetzen. Diese Kombination ist besonders heikel. Stromausfälle bzw. Unterbrechungen kommen immer wieder vor, darauf muss man sich einstellen. Als Maschinenbauer kann man jedoch dafür sorgen, dass der Ausschuss und der Aufwand für das Wiederanfahren der Anlage minimal sind.“ Wenn eine Spritzgussanlage abrupt stehen bleibt, bedeutet das, dass der Zyklus nicht zu Ende gefahren werden kann. Der worst case: wenn die Unterbrechung während des Einspritzvorgangs auftritt, die Kavität aber noch nicht ganz mit Kunststoff gefüllt ist. Dann entstehen sogenannte „Short Shots“ – halb fertig gespritzte PET-Preforms.
Diese müssen von Hand entfernt werden und dabei kann das Werkzeug kaputt gehen bzw. die Beschichtung beschädigt werden. Bis zu 144 Short Shots kann es bei einer Zyklusunterbrechung geben – der Produktionsausfall aufgrund von Reinigung und Wiederanfahren beträgt in diesem Fall zwischen zwei und drei Stunden.
Den Zyklus kontrolliert beenden
NETSTAL entwickelte eine Funktion, um die Zeit zwischen Stromunterbrechung und dem Zyklusende zu überbrücken. Hausammann: „Das Ziel war, den jeweils aktuellen Zyklus ohne externe Energie kontrolliert zu beenden – in etwa, wie wenn man die Anlage bei Produktionsende herunterfährt. Und zwar so, dass die Plastifizierung und das Werkzeug sauber bleiben und die Preforms des letzten Zyklus kein Ausschuss sind.“
Die Lösung, die den Produktnamen Cycle Guard bekam, besteht im Wesentlichen aus zwei Komponenten: einem sehr schnellen elektrischen Energiespeicher für die kurze Zeit direkt nach dem Stromausfall und einem Hydraulikspeicher für die größere Energiemenge zum Entformen der Kunststoffteile und zum Stillsetzen der Anlage.
Die Idee hinter Cycle Guard: wenn die Netzversorgung ausfällt, wird die Energie, die in den Hydraulikspeichern gespeichert ist, abgerufen, um die Anlage weiter fahren zu können. Um diese Energie nutzbar zu machen, muss die Förderrichtung der Hydraulikpumpe umgestellt werden. Das dauert etwa 100 Millisekunden. Um diese Zeit zu überbrücken und die fehlende Energie bereitzustellen, wird das Energy Storage System des KeDrive D3 von KEBA eingesetzt.
Der Netzausfall wird erkannt und innerhalb nur einer Millisekunde reagiert das elektrische Energiespeichersystem und ersetzt für 10 bis 20 msec die Einspeisung aus dem Netz mit einer Leistung von bis zu 300 kW. Gleichzeitig führen alle elektrischen Achsen einen Schnellhalt aus, dabei wird der Einspritzprozess nicht unterbrochen. Die Bremsenergie der Motoren wird durch den Energiespeicher aufgenommen und anschließend stabilisiert dieser den Zwischenkreis des Antriebssystems, bis die Hydraulikpumpe generatorisch arbeitet und Energie zur Verfügung stellt. Diese ersten 20 Millisekunden sind essentiell für die Funktion des Cycle Guards.
Es gibt in der Funktion Cycle Guard also zwei Speichersysteme:
- Ein sehr schnelles elektrisches Energiespeichersystem für die zuverlässige Überbrückung kurzer Netzausfälle oder Leistungsschwankungen im Millisekundenbereich. Dieses besteht aus einem Energiespeicher mit Hochleistungs-Elektrolytkondensatoren und einem Energiemanager, der den Leistungsfluss regelt und den Energiespeicher überwacht. Das System ist für die hohen Leistungsanforderungen mit minimaler Reaktionszeit, einem geringen Bauraum und der einfachen Integration ins Antriebssystem optimiert. Durch den Einsatz von Speicherkondensatoren stellen große Lastzyklen mit hoher Frequenz kein Problem dar.
- Ein langsameres hydraulisches Energiespeichersystem, das mit einer Pumpe und einem Hydraulikspeicher funktioniert – hier ist rund 100 mal mehr Energie gespeichert als im oben genannten System. Dieses System stellt also sicher, dass längere Unterbrechungen überbrückt werden können. Bei längeren Netzunterbrechungen wird der aktuelle Zyklus kontrolliert und sicher beendet. Preforms werden sauber fertig gespritzt und entformt. Nach Netzwiederkehr und einem kurzen Systemcheck kann die Produktion schnell wieder gestartet werden.
Die Herausforderung besteht darin, diese zwei Speichersysteme so aufeinander abzustimmen, dass der Netzausfall in jedem Störungsfall überbrückt und der Zyklus kontrolliert zu Ende gefahren wird. Diese Aufgabe übernimmt aXos 9, die Steuerung der Spritzgießmaschine.
„Cycle Guard bietet Herstellern, die mit Spritzgussverfahren produzieren, enorme Vorteile, so Wolfgang Kapp, Sales Manager Schweiz bei KEBA. „Das System überwacht permanent die Stromversorgung und stellt im Notfall ausreichend Energie zur Verfügung, um die Produktion kontrolliert zu beenden. Cycle Guard benötigt keine Batterien oder Akkus und ist daher besonders wartungsarm und kostengünstig im Betrieb.“
Cycle Guard ist eine Option bei NETSTAL und eine Investition, die sich rasch rentiert – je nach Produkt bereits nach weniger als zehn überbrückten Stromausfällen.
Momentan liefert NETSTAL etwa 40% der PET-Anlagen mit dieser Option aus.
Eine langjährige Partnerschaft auf Augenhöhe
NETSTAL und KEBA arbeiten seit über 14 Jahren zusammen. Besonders die Nähe zum Entwicklungsteam und den Support durch KEBA Schweiz weiß NETSTAL sehr zu schätzen. Hausammann: „Die Zusammenarbeit ist unkompliziert und effizient. Wir haben einen direkten Draht zu Personen in der Entwicklung und im Produktmanagement – zu beinahe jeder Frage oder Anforderung gibt es eine Lösung. Aufgrund der sehr guten Zusammenarbeit mit KEBA bei der Einführung der neuen Achsregler-Generation und ihren umfassenden Vorkenntnissen im Bereich Energiespeicher setzten wir auch bei der Energiespeicher-Entwicklung auf KEBA. Dank der fortschrittlichen Simulationsmöglichkeiten von NETSTAL und KEBA war die Entwicklung des passenden Produkts in sehr kurzer Zeit möglich.“
NETSTAL plant mit KEBA aktuell die Umstellung der Produktreihen ELION und ELIOS auf KEBA Antriebsmodule KeDrive D3. „Auch für zukünftige Projekte haben wir bereits Gespräche aufgenommen,“ so Hausammann.
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