Kohlenstoff ist Zukunftsstoff. Auch in einer klimaneutralen Industriezukunft wird sich bei manchen Produktionsprozessen nicht gänzlich vermeiden lassen, dass Kohlendioxid (CO2) entsteht. Gleichzeitig sind viele Branchen auf CO2 als Ressource angewiesen. Das vom Thinktank IN4climate.NRW gemeinsam mit 17 Partnern aus Industrie und Wissenschaft erarbeitete Diskussionspapier »CO2 in einer klimaneutralen Industrie: Infrastrukturanforderungen für NRW« fasst Impulse und konkrete Anforderungen für ein nachhaltiges Carbon Management zusammen. Ziel ist, Kohlenstoff zu nutzen, ohne dem Klima zu schaden.

»Carbon Management bietet immenses Potenzial für den Klimaschutz in der Industrie. Dabei benötigt der nachhaltige Umgang mit COdringend eine entsprechende Infrastruktur und rechtliche Regelungen. Für Gas und Strom wird diese zentral geplant – für CObislang noch nicht. Das muss sich dringend ändern«, betont Samir Khayat, Leiter der Initiative IN4climate.NRW.

Bislang ist Kohlendioxid kein Bestandteil von Infrastrukturplanungen in Deutschland. Dabei wird die Entstehung von CO2 in manchen Prozessen auch in Zukunft unvermeidbar sein, d. h. trotz Prozessoptimierungen und unabhängig vom eingesetzten Brennstoff. So zum Beispiel in der Kalkindustrie, wo Kohlendioxid im Zuge des Brennprozesses natürlicherweise aus dem Carbonatgestein entweicht.  

Strategie für unvermeidbare CO2-Mengen dringend erforderlich

Die Autor*innen des von der Arbeitsgruppe Kohlendioxidwirtschaft erstellten Papiers gehen – basierend auf wissenschaftlichen Szenarioanalysen – von mindestens sieben bis rund 17 Megatonnen CO2 jährlich aus, die sich auch in Zukunft nicht vermeiden lassen werden. Insbesondere in der Stahl- und Zementindustrie arbeiten bereits verschiedene Projekte daran, das Treibhausgas direkt am Ofen aufzufangen, bevor es in die Atmosphäre gelangt (engl. Carbon Capture). Das gewonnene COkann dann anderen Branchen als Rohstoff zur Verfügung gestellt werden (engl.: Carbon Capture and Utilisation, kurz CCU). Die Lebensmittelindustrie benötigt Kohlendioxid u. a. als Kältemittel und auch viele chemische Verfahren nutzen das Gas als Ausgangsstoff. Neben der Nutzung wird zudem die langfristige Speicherung (engl.: Carbon Capture and Storage, CCS) diskutiert, wobei diese in der Praxis aufgrund der rechtlichen Lage bislang nicht möglich ist.

Für beide Möglichkeiten betonen die Autor*innen des neuen Diskussionspapiers die Dringlichkeit, eine entsprechende Infrastruktur für den Transport aufzubauen. Konkrete Optionen, wie ein solches Pipeline- und Transportsystem aussehen könnte, fasst das Papier in einer Infrastrukturkarte für NRW zusammen.

»Wir können und müssen besser darin werden, COim Kreislauf zu führen und nachhaltig zu nutzen. Mit dem Aufbau einer CO2-Infrastruktur können wir der Klimakrise begegnen und sichern gleichzeitig die Versorgung der NRW-Industrie ab, die auf Kohlenstoff angewiesen ist. Hier müssen wir dringend aktiv werden«, erklärt Prof. Dr.-Ing. Görge Deerberg, stellvertretender Leiter des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT und Leiter der Arbeitsgruppe Kohlendioxidwirtschaft bei IN4climate.NRW.

So identifiziert die Arbeitsgruppe Kohlendioxidwirtschaft zusätzlich Handlungsempfehlungen, wie dieser Prozess gemeinsam von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft gestaltet und beschleunigt werden kann. Sie fordert u. a. eine zeitnahe Klärung der rechtlichen Rahmenbedingungen ein – hierzu zählt, dass die CO2-Speicherung in internationalen Speicherstätten gesetzlich abgesichert werden muss und die Anrechenbarkeit von CCU im Europäischen Emissionshandel klar geregelt wird. Zudem ist das Thema gesellschaftlich noch nicht ausreichend diskutiert und bekannt – die AutorInnen sehen hier dringenden Handlungsbedarf, entsprechende Prozesse und Beteiligungsverfahren für das Thema zu entwickeln. 

IN4climate.NRW-Ergebnisse in Carbon Management Strategie NRW eingeflossen

Erarbeitet wurde das Diskussionspapier von der Arbeitsgruppe Kohlendioxidwirtschaft. Die Ergebnisse wurden ebenfalls in der Erarbeitung der Carbon Management Strategie NRW berücksichtigt, die das Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie am 19. Oktober 2021 veröffentlicht hat. Inhaltlich unterstützt wird die IN4climate.NRW-Publikation von 17 Partnern aus Wissenschaft und Wirtschaft. Dazu zählen die Unternehmen Air Liquide, Covestro, HeidelbergCement, Lanxess, Lhoist, RHM, Solvay, Spenner und thyssenkrupp, die Forschungseinrichtungen Fraunhofer UMSICHT, das Institut der deutschen Wirtschaft, die RWTH Aachen (Lehrstuhl Technische Thermodynamik), das Wuppertal Institut und das VDEh-Betriebsforschungsinstitut (BFI) sowie Branchenverbände wie der Bundesverband der Deutschen Kalkindustrie, der Verein Deutscher Zementwerke und die Wirtschaftsvereinigung Stahl.

Das Diskussionspapier steht unter https://s.fhg.de/umx zum kostenlosen Download bereit.

IN4climate.NRW als Initiative der Landesregierung ist die zentrale Plattform für die Umsetzung einer klimaneutralen Industrie in NRW. ExpertInnen aus Industrie, Wissenschaft und Politik arbeiten hier zusammen, um innovative Strategien und Lösungen für klimaneutrale industrielle Prozesse und Produkte zu entwickeln. Dazu zeigt die Initiative zentrale Forschungsbedarfe auf und begleitet technische Projekte zur Erprobung klimaneutraler Produktionsverfahren. Ziel ist es, sowohl den Ausstoß an Treibhausgasen zu reduzieren als auch damit die gezielte Entwicklung einer klimaneutralen und zukunftsfähigen Industrie zu unterstützen. Auf diese Weise soll die hohe Wettbewerbsfähigkeit der NRW-Industrie ausgebaut und NRW als wichtiger Industriestandort gesichert werden. Weitere Informationen unter www.in4climate.nrw.

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