Probabilistische und maschinelle Lernverfahren
Sollen sich Roboter autonom im Raum bewegen, muss er seine genaue Position bestimmen. Dazu benötigt er eine Karte. Während der Kartenerstellung, muss er seine Position kennen, um ein konsistentes Modell zu erlernen. Die simultane Lokalisierung und Kartierung (Simultaneous localization and mapping – kurz SLAM) ist damit ein „Henne-Ei-Problem“. In seinem Vortrag „Probabilistische und maschinelle Lernverfahren für Robotik, Navigation und Logistik“ brachte Prof. Wolfram Burgard von der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Autonome Intelligente Systeme, den Teilnehmenden den Lösungsansatz dafür näher. Die Grenzen dieser Lösung liegen in der dynamischen Veränderung der Umgebung, aber auch in der Semantik. So sieht sich ein Roboter in der Logistik einer Lagerhalle damit konfrontiert, dass die morgens gut gefüllte Halle sich im Laufe des Tages leert, wenn Bauteile verbraucht werden, und so nicht mehr zu „erkennen“ ist. Aber auch die Einflüsse von Wetter und Licht verändern das Bild. Aber auch die Kennzeichnung oder Kategorisierung eines Bildes als Auto, Fußgänger, Haus oder ähnliches erfordert innovative Konzepte für die semantische Segmentierung. Um zuverlässige Vorhersagen auch bei Nacht zu treffen, wenn keine oder kaum vorhandene Kontraste die Bilderkennung erschweren, sollen thermische Infrarotbilder Abhilfe schaffen. Burgard schloss damit, dass der Schlüssel zu robusten Robotersystemen in probabilistischen Ansätzen und maschinellem Lernen liegt. Als Herausforderungen bleiben die Daten als Engpassfaktor sowie die Reduktion des Aufwands beim Kennzeichnen der Bilder.
Erstellung von intelligenten Planungskarten
Prof. Alexander Reiterer vom Fraunhofer Institut für Physikalische Messtechnik IPM wurde im Juli 2021 von der Wirtschaftsministerin in Baden-Württemberg, Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut, als KI-Champion in der Kategorie Forschungseinrichtungen ausgezeichnet. Sein KI-Tool zur Erstellung intelligenter Planungskarten stand daher auch im Mittelpunkt seines Beitrags und reihte sich hervorragend ins Thema ein. Die steigende Komplexität unserer Umgebung und Infrastruktur sowie neue Planungs- und Konstruktionsmethoden machen schnelle und genaue Überwachungsmethoden notwendig. Die bisherigen Verfahren der Objekterfassung sind allerdings unproduktiv oder ineffizient. Reiterer zeigte auf, wie seine Arbeiten zur automatisierten Dateninterpretation zu besseren und vor allem schnelleren Ergebnissen führen. Ein aktuelles Anwendungsgebiet ist beispielsweise die Verlegung von Glasfaserkabeln für die präzise Oberflächendaten, die für die Trassenverlegung erforderlich ist. Am Ende seines Beitrags erläuterte Reiterer aktuelle Forschungsthemen, die für weitere Anwendungen wie Hoch- und Tiefbau oder Unfallforschung wichtig sind. So müssen für autonomes Fahren beispielsweise mit KI Datenlücken geschlossen werden und Fahrzeuge automatisch aus den Daten entfernt werden. Idealerweise sollen Autokennzeichen und Menschen schon bei der Aufnahme anonymisiert werden. Außerdem besteht ein Bedarf an synthetisch erstellten Trainingsdaten. Grundlage für den Umgang mit Daten sind offene und dokumentierte Schnittstellen und der freie Zugang zu Daten.
Maschinelles Lernen in der Halbleiterfertigung
Einen Blick von außen auf das maschinelle Lernen in der Halbleiterfertigung von TDK-Micronas gab Dr. Tobias Hess. Anhand der verschiedenen Prozessschritte – Fertigung, Probe Test, Assembly, Final Test – veranschaulichte er, die Vielzahl der messbaren Parameter im Laufe der Fertigung und damit die enormen Datenmengen, die dabei aus Maschinen-, Prozessparametern sowie der Messungen auf Wafer-Level und an den fertigen Bauteilen generiert werden. Allein die Testergebnisse belaufen sich auf etwa 1000 pro Chip. Eine Herausforderung ist dabei, dass sehr unterschiedliche Datenquellen in verschiedenen Abteilungen existieren. Es bedarf daher einer übergreifenden Infrastruktur und Kommunikation. Ziel ist es, mit den Daten am Ende Mehrwerte für das Unternehmen zu schaffen. Diese können in der Prozessoptimierung liegen, in der Verringerung von Kundenrückläufern oder in der Testoptimierung, z.B. das Erkennen von redundanten Tests. Ob dieser Mehrwert mittels Machine Learning oder anderer Methoden generiert wird, spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle.
KI-Zirkel Südbaden macht Expertise der Region sichtbar
Im Anschluss an die Vorträge diskutierten die Teilnehmenden weitere Fragestellungen, z.B. welche Möglichkeiten es gibt, Architekturen oder Prozessketten zu schützen, und wer am Ende Eigentümer:in der ursprünglichen sowie annotierten Daten ist. Zum Netzwerken trafen sich die Teilnehmenden in wonder.me und konnten so auch bilaterale Gespräche führen.
Nach dem erfolgreichen Auftakt des KI-Zirkels Südbaden im Frühjahr 2021 stand diese zweite Veranstaltung im September 2021 im Zeichen der Verstetigung des Austauschs unter Expert:innen. Der KI-Zirkel Südbaden wurde im Rahmen der Allianz Industrie 4.0 von microTEC Südwest initiiert, um als regelmäßiges Format die KI-Kompetenz in der Region Südbaden sichtbar zu machen und die hohe regionale Expertise hervorzuheben. Der Fokus liegt auf der Vernetzung mit dem Ziel, Künstliche Intelligenz in die Anwendung zu bringen!
Die Veranstaltungsreihe wird fortgesetzt und ist als regelmäßiges Austauschforum für KI-Experten gedacht. Als Initiative von microTEC Südwest im Rahmen der Allianz Industrie 4.0 Baden-Württemberg wird der KI-Zirkel Südbaden vom Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus Baden-Württemberg gefördert.
Der KI-Zirkel Südbaden wird über die Allianz Industrie 4.0 Baden-Württemberg vom Land gefördert.
Der Spitzencluster microTEC Südwest ist das Kompetenz- und Kooperationsnetzwerk für intelligente Mikrosystemtechniklösungen für Europa und der Ansprechpartner für Mikrosystemtechnik in Baden-Württemberg. Der zentrale Service für die Mitglieder sind technologisch und anwendungsbezogene Fachgruppen, in denen microTEC Südwest seine Kompetenzen bündelt, um gemeinsam Innovationen auf dem Gebiet der Mikrosystemtechnik hervorzubringen. Als Bindeglied zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik unterstützt microTEC Südwest die Mitglieder bei Fördervorhaben und der damit verbundenen Partnervermittlung.
Der Spitzencluster microTEC Südwest ist eines der größten Technologie-Netzwerke in Europa. Im Bereich der Anwendungen fokussiert das Clustermanagement seine Arbeit derzeit auf zwei Felder: Gesundheit (Smart Health) und Produktion (Smart Production), kann aber durchaus auch in anderen Bereichen, wie z. B. Mobilität, Energie, Textilien und smarte Home-Lösungen aktiv werden.
Die mehr als 110 Mitglieder des Fachverbands kommen aus Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Hochschulen. Darunter finden sich Global Player wie Bosch, Festo, Roche Diagnostics, ABB, Zeiss, Endress Hauser, Sick, Balluff und Testo sowie viele innovative klein- und mittelständische Unternehmen. Zu den Forschungseinrichtungen zählen die Institute der Innovationsallianz Baden-Württemberg (innBW) sowie verschiedene Fraunhofer-Institute. Im Bereich der Hochschulen und Universitäten finden sich unter anderem das Institut für Mikrosystemtechnik (IMTEK) der Universität Freiburg sowie das Karlsruher Institut für Technologie (KIT).
Der Cluster erfüllt die Exzellenzkriterien der Europäischen Cluster Excellence Initiative (ECEI) und wurde mit dem Gold-Label ausgezeichnet.
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