Um den Brückenschlag von der Forschung in die Praxis zu meistern, wurde 2019 der futureTEX-Inkubator initiiert: ein Vorhaben, das sich speziell auf die Verwertbarkeit der Forschungsresultate durch Erarbeitung von möglichen Geschäftsmodellen fokussiert. Sieben Pilotvorhaben, deren Umsetzungsprojekte in futureTEX abgeschlossen sind, arbeiten an konkreten Konzepten und deren Umsetzung mittels Design Thinking.
Zur Online-KompetenzWerkstatt "Vom Forschungsvorhaben zur Markteinführung – Systematisch Innovieren im futureTEX-Inkubator" am 29. April 2021 präsentierten nun vier Teams dieser Pilotvorhaben ihren Inkubationsprozess, die Ergebnisse und zogen Bilanz. Der Inkubator wurde durch die HYVE AG München und die Handelshochschule Leipzig begleitet und in den einzelnen Vorhaben systematisch gesteuert.
So verbirgt sich beispielsweise hinter „auXCap“ ein völlig neuer Ansatz textiler Protektoren. Diese basieren auf dem Prinzip der Auxetik, bei dem sich Materialien unter Zugbelastung nicht verjüngen, sondern ausdehnen. Das Team um Dr. Gottfried Betz, Geschäftsführer der thüringischen Strickmanufaktur Strick Zella, nutzt dabei auxetische Abstandsgestricke, die nicht nur eine optimale Drapierbarkeit, sondern auch eine erhebliche Stoßdämpfung aufweisen.
2019 war im Rahmen der Kampagne des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vielerorts großflächig „Looks like shit. But saves my life“ zu lesen. Gemeint war der Fahrradhelm, der trotz seiner bewährten Schutzeigenschaft doch von Fahrradfahrern aufgrund der fehlenden Ästhetik verschmäht wurde. Von diesem Umstand motiviert, bestand das Ziel des multidisziplinären auXCap-Teams in der Entwicklung eines neuartigen Kopfprotektors, der Design und Schutz zu einem völlig neuen Produkt verschmelzen lässt.
Gottfried Betz, der mit seinem Unternehmen bereits zahlreiche andere Innovationen auf den Markt gebracht hat, schildert, dass sich der Innovationsprozess erheblich von anderen Produktneuheiten unterscheidet. „Man meint als Unternehmen immer, man würde sich sowieso am Kunden orientieren. Das haben wir auch zu Beginn des Inkubatorvorhabens gedacht. Aber wir haben noch sehr viel dazu gelernt. Das betrifft Umfragetechniken, Internetrecherchen und vor allem auch den Mut, bereits in einem früheren Stadium potenzielle Kunden einzubeziehen“, fasst er die einjährige Arbeit zusammen. Gemeinsam strebt das auXCap-Team nun eine Materialentwicklung für Ski- und Snowboard-Helme an. Zudem soll ein Kickstarter Projekt mit Spin-off Unternehmen Anfang 2022 realisiert werden.
Des Weiteren wurde mit VOWAco (Prof. Dr. Holger Erth, Textilausrüstung Pfand GmbH & Mareen Götz, Vowalon Beschichtung GmbH Treuen), welches auf dem abgeschlossenen Vorhaben PROFUND aufbaut, eine Plattform als „technisches Herz“ für Funktionalitäten und Aufgabenprofile bei der Entwicklung von individualisierten technischen Produkten in einer textilen Fertigungskette präsentiert. Die Weiterentwicklung zur europaweit ersten Marke für alle Dienstleistungen rund um Forschung, Entwicklung und Fertigung von textilen Komponenten soll mit dem Inkubatorpilot gestartet werden. Das Pilotvorhaben „rCF-Nonwoven-Preforms – Dreidimensionale Preforms aus recycelten Carbonfaser-Vliesstoffen“ (Felix Krug, Tenowo GmbH) verfolgt einen Nachhaltigkeitsansatz und zielt darauf ab, Verschnittabfälle in der Herstellung von Carbonvliesstoffen zu reduzieren. Im Vorhaben „combiH“ (Prof. Dr. Markus Michael, Technitex Sachsen GmbH) sollen neue Applikationen und Märkte für Composites auf Basis hanfbastverstärkter bidirektionaler Gelege identifiziert und validiert werden. Der Inkubatorprozess kombiniert dazu die Methode Design Thinking mit dem Thema Nachhaltigkeit zum „Green Thinking“.
Das Projekt futureTEX befindet sich aktuell im letzten Projektjahr. Mit den offenen Forschungs- und Versuchsfeldern „Vernetzte Fertigung“ und „Selbststeuernde Vliesstoffproduktion“ am Sächsischen Textilforschungsinstitut e.V. (STFI) wurden bereits viele Erkenntnisse aus futureTEX für die Zeit nach dem Projektende umgesetzt und für die mittelständische Textilindustrie nutzbar gemacht. Doch es gilt auch weiterhin, nachhaltige Strukturen für das im futureTEX-Projekt entstandene Know-how zu schaffen. Das futureTEX-Abschluss-Symposium am 7. Oktober 2021 wird diese Thematik allumfassend beleuchten, erläuterte der Projektkoordinator Dirk Zschenderlein vom STFI.
Das Projekt futureTEX ist ein Gewinner im Programm "Zwanzig20 – Partnerschaft für Innovation" des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Bis 2021 arbeiten wissenschaftliche Einrichtungen, Unternehmen und Verbände an der Entwicklung wesentlicher Bausteine eines Zukunftsmodells für Traditionsbranchen. Das Projektkonsortium futureTEX verfolgt das Ziel, die führende Position bei der Umsetzung der vierten industriellen Revolution im Textilmaschinenbau und in der Textilindustrie zu erringen und damit beispielhaft bis 2030 das modernste textilindustrielle Wertschöpfungsnetzwerk Europas aufzubauen. Mit der Entwicklung eines Zukunftsmodells werden die Forschungsschwerpunkte Ressourceneffizienz und Kreislaufwirtschaft, kundenintegrierte flexible Wertschöpfungsketten, textile Zukunftsprodukte, Wissens- und Innovationsmanagement sowie Arbeitsorganisation und Nachwuchssicherung gemeinschaftlich mit Partnern aus Wissenschaft und Wirtschaft bearbeitet. Das Konsortium umfasst aktuell über 300 involvierte Partner, darunter 70 Prozent aus der Industrie. Das Projekt futureTEX ist Preisträger im Wettbewerb "Ausgezeichneter Ort" im Land der Ideen 2016. | Herausgeber: Sächsisches Textilforschungsinstitut e.V. (STFI)
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