Viele unserer Brücken in Deutschland wurden in den 50erbis 80erJahren des letzten Jahrhunderts errichtet. Zur Zeit des Wiederaufbaues nach dem 2. Weltkrieg galt es, schnellstmöglich ein gut funktionierendes Infrastrukturnetz herzustellen. Innerhalb kurzer Zeit entstanden so die meisten großen Talbrücken; viel Zeit um Erfahrungen zu sammeln insbesondere im Spannbetonbau blieb damals nicht. Man baute zwar nach aktuellem Stand der Technik, doch während der rasanten Entwicklung schlichen sich bauzeitund bauartbedingte Mängel ein, die heutzutage teilweise zu großen Einschränkungen in der Tragfähigkeit und Nutzung führen. Hinzu kommen altersbedingte Schäden sowie Schäden durch die ständig gestiegenen und weiter steigenden Verkehrslasten und außerdem Schäden durch Tausalzeinsatz, die einige unserer Bauwerke schnell an die Grenzen der Tragfähigkeit bringen.

Einige Mängel aus den frühen Entstehungsjahren der Brücken sind:

• Defizite in Querkraftund Torsionstragfähigkeit wegen zu geringem Bewehrungsanteil

• Ermüdungsprobleme bei Spanngliedkopplungen in den Vollstößen der Koppelfugen (bei abschnittsweiser Herstellung)

• Zu geringe Robustheitsbewehrung

• Nicht Berücksichtigung von Temperatureinwirkungen

• Verwendung spannungsrisskorrosionsgefährdeter Spannstähle (Sigma Oval, Neptun)

Brücken mit diesen Mängeln stellen uns teilweise vor große Herausforderungen hinsichtlich des Weiterbetriebes bis zur Erstellung eines Ersatzneubaues. Oftmals kommen zu den notwendigen verkehrlichen Nutzungseinschränkungen auch prüfungstechnische Kompensationsmaßnahmen, wie z.B. Bauwerksprüfungen nach DIN 1076 in engeren Zeitabständen (Sonderprüfungen) oder eine dauerhafte Überwachung durch elektronisches Monitoring, zum Einsatz.

Mit dem vorliegenden Bericht am Beispiel der Niddabrücke der BAB A5 wird dargestellt, wie ein Bauwerk mittels moderner Messtechnik verkehrssicher weiterbetrieben werden kann.

Allgemeines zum Bauwerk:

Die Niddabrücke ist Teil des Frankfurter Westkreuzes und überspannt die Nidda bei FrankfurtRödelheim inklusive der parallel verlaufenden Gehund Radwege. Es handelt sich um ein Bauwerk mit zwei Feldern. Das große Feld (Flussfeld) hat eine Spannweite von ca. 42 m, das kleinere von ca. 22 m. Der Überbau besteht aus einem in Längsund Querrichtung vorgespannten zweistegigen Plattenbalken. Im Jahr 1969, als das Bauwerk errichtet wurde, sah das damals gültige Regelwerk Lastannahmen der Brückenklasse 60 vor. Das heutige Regelwerk fordert die weit höhere Brückenklasse LM1. Die Nachrechnung in 2011 ergab Tragfähigkeitsdefizite des Überbaus vor allem im Stützbereich und dem kleineren Feld. Daraufhin wurde eine Restnutzungsdauer bis Ende des Jahres 2019 ermittelt. Der verwendete Spannstahl in Längsrichtung ist vom Typ Sigma Oval 40, welcher als anfällig für Spannungsrisskorrosion gilt. Diese meist von außen nicht sichtbare Korrosionsart kann zu einem spontanen, verformungsarmen Versagen des Tragwerks führen. Nach den Vorgaben der „Handlungsanweisung Spannungsrisskorrosion“ des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) kann überprüft werden, ob der Nachweis für ausreichen des Ankündigungsverhalten erfüllt wird. Ein solches Ankündigungsverhalten würde sich durch eine frühzeitige und deutlich erkennbare Rissbildung unter Gebrauchslast ausweisen. Für die Niddabrücke konnte ein ausreichendes Ankündigungsverhalten nachgewiesen werden. Es handelt sich jedoch um ein bedingt ausreichendes Ankündigungsverhalten, da kritische Stellen im Bereich der Stütze oberhalb des Überbaus liegen und diese wegen des vorhandenen Fahrbahnbelags nicht einsehbar sind. Risse, die Schädigungen ankündigen, könnten dadurch, trotz zusätzlicher engmaschiger Bauwerkssonderprüfungen, erst spät erkannt werden. Da die Stege über die gesamte Länge gevoutet sind und die Breite des Überbaus veränderlich ist, ist eine Verstärkung des Überbaus nicht sinnvoll. Stattdessen wird die Niddabrücke mittelfristig durch einen Neubau ersetzt. Bis zur Verkehrsfreigabe des Ersatzneubaus wird der Überbau des Bestandbauwerks zusätzlich zu den Sonderprüfungen nach DIN 1076 im Abstand von drei Jahren mit Hilfe eines Monitoringsystems dauerhaft überwacht. Im folgenden Abschnitt wird das Prinzip des Bauwerksmonitorings kurz erläutert. (Abb. 1 und 2)

Bauwerksmonitoring

Die Dauerüberwachung von Bauwerken (Bauwerksmonitoring) gewinnt aufgrund der Altersstruktur der Brückenbauwerke bundesweit zunehmend an Bedeutung. Nicht nur das Alter auch die Verwendung von problematischen Baustoffen (z. B. spannungsrisskorrosionsgefährdeter Spannstahl) oder auch fehlerhafte Bauweisen (z. B. komplett gestoßene Koppelfugen) können Gründe dafür sein, ein Monitoring einzusetzen. Da das Bauwerksmonitoring insgesamt ein relativ neuer Bereich in der Bauwerkserhaltung ist, stehen bislang wenige Erfahrungen über den Einsatz an Brücken zur Verfügung. Deshalb ist derzeit eine enge Zusammenarbeit zwischen Baulastträgern, Vertretern der Forschung und Ingenieurbüros besonders wichtig.

Bundesweit werden Monitoringanlagen zurzeit dann eingesetzt, wenn ein Bauwerk bis zum baldigen Abriss unter Betrieb gehalten werden muss. Langfristig könnte auch der Einsatz von Monitoringsystemen über den gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks unter wirtschaftlichen und planerischen Gesichtspunkten gewinnbringend sein. Für die Wahl des optimalen Monitoringsystems sind verschiedene Randbedingungen zu berücksichtigen. Zu diesen gehören beispielsweise das Material des Überbaus, etwaige Vorschädigungen, das Messziel und das zu erwartende Tragwerksverhalten. An der Niddabrücke kommt die Dynamische Laserdistanzmessung zum Einsatz, die nachfolgend erläutert wird.

Das Messverfahren

Ihren Ursprung hat die Dynamische Laserdistanzmessung in der Überwachung von Windkraftanlagen. Seit 2018 wird dieses Verfahren auch in der Dauerüberwachung von Brücken eingesetzt. Am Unterbau installierte Laser messen dabei den Abstand zu Messzielen, die am Überbau befestigt sind. Verformungen und Bewegungen werden über die Längenänderung zwischen Laser und Messziel gemessen. Vorteile der Dynamischen Laserdistanzmessung sind dabei vorrangig die hohe Messgenauigkeit über Distanzen bis zu 100 m sowie die geringe Anfälligkeit für Vandalismus, da keine Kabelverbindungen zwischen Laser und Messziel erforderlich sind. Messgrößen sind neben der Überbauverformung auch die Eigenfrequenz unter der Annahme, dass sich diese durch Schädigungen am Tragwerk (z. B. Spannlitzenbruch) ändert. Für die Niddabrücke wurde pro Steg und Feld jeweils eine Messstrecke installiert. Die Messziele sind je an der Innenseite der Stege nach halber Spannweite angebracht. (Abb. 3)

Mit den vier Messstrecken kann neben der globalen Verformung auch eine Torsion des Überbaus gemessen werden. Die Laser sind auf dem Widerlager der Niddabrücke montiert und durch einen Stahlschrank gegen Vandalismus gesichert. Dieser Schutz ist bei der Niddabrücke wegen der geringen Durchfahrtshöhe auf dem Gehund Radweg unerlässlich. (Abb. 4 und 5)

Zusätzlich werden an dem Bauwerk die Lufttemperatur und die Oberflächentemperatur des Überbaus gemessen, um die Einflüsse aus Temperaturschwankungen in den Messergebnissen filtern zu können. Die Messdaten werden automatisch auf einen Server übertragen. Nach einer üblichen Kalibrierungsphase wurden Alarmwerte in vier Abstufungen festgelegt. Treten Verformungen des Überbaus auf, die diese Grenzwerte erreichen, wird unmittelbar eine automatische Email an die Entscheidungsträger versandt. Nach einer Plausibilitätsprüfung werden in Abhängigkeit von der Warnstufe Maßnahmen in Reaktionszeiten zwischen fünf Werktagen (Stufe 1) und 2 h (Stufe 4) koordiniert. Bisher ist noch keine Überschreitung der Grenzwerte bei der Niddabrücke aufgetreten.

Messergebnisse

Die Messergebnisse der Verformungen des Überbaus zeigen deutlich die Belastung des Überbaus der Niddabrücke bei einer LKWÜberfahrt. In der Abbildung ist beispielhaft die Auslenkung, die von einem Laser gemessen wurde, über drei Minuten dargestellt. Während dieser Zeit haben zwei LKWs das Bauwerk überfahren, was durch den stärkeren Ausschlag sichtbar wird. Das Rauschen kann auf PKWÜberfahrten sowie die Eigenschwingung des Tragwerks zurückgeführt werden. (Abb. 6)

Die nächste Abbildung zeigt die Verformung über den Zeitraum von einem Monat, die von den zwei Lasern an dem Feld mit der größeren Spannweite gemessen wurde. Zusätzlich wird durch die rote Linie die Temperatur dargestellt. Anhand dieser Grafi k lässt sich der Einfl uss der Temperatur auf das Tragwerk deutlich erkennen. (Abb. 7)

Die Dynamische Laserdistanzmessung misst auf einfache und zuverlässige Weise Verformungen des Tragwerks. Aus diesen Messungen können Schäden, die sich am Tragwerk noch nicht durch Risse bemerkbar gemacht haben, frühzeitig erkannt werden. Bisher ist an der Niddabrücke kein Alarm ausgelöst worden.

Fazit und Ausblick:

Durch die Einrichtung einer dauerhaften Überwachung in Form eines Bauwerksmonitorings für die Überbauverformung infolge von Spanndrahtbrüchen am Beispiel der Niddabrücke besteht die Möglichkeit, die weitere verkehrliche Nutzung des Bauwerks bei gegebener Tragfähigkeit im Sinne der Nachrechnungsrichtlinie bis zum Ersatzneubau sicherzustellen.

Ein Bauwerksmonitoring ersetzt nicht die Bauwerksprüfung, numerische Analyse oder die Schadensanalyse am Bauwerk. Es dient vielmehr als ergänzendes Analyseund Überwachungselement. Angewendete Monitoringsysteme zur Weiternutzung von Brücken sichern nicht den Grenzzustand der Tragfähigkeit, können aber als Warnungsinstrumente eingesetzt werden. So wird der Baulastträger in die Lage versetzt, rechtzeitig Maßnahmen zu ergreifen, die die Zuverlässigkeitsdefi zite kompensieren.

Quellenangaben:

• BMVBS (2011): Handlungsanweisung zur Überprüfung und Beurteilung von älteren Brückenbauwerken, die mit vergütetem, spannungsrisskorrosionsgefährdetem Spannstahl erstellt wurden (Handlungsanweisung Spannungsrisskorrosion)

• BMG Bauwerk Monitoring GmbH (2020): Brückenmonitoring per LaserDistanzmessung für die optimierte Instandhaltung von Brücken

• BMG Bauwerk Monitoring GmbH (2020): Messbericht UF Nidda

• Leonhardt, Andrä und Partner Beratende Ingenieure VBI, GmbH (2011): Nachrechnung gemäß Nachrechnungsrichtlinie

• BMVI (2017): Richtlinie zur einheitlichen Erfassung, Bewertung, Aufzeichnung und Auswertung von Ergebnissen der Bauwerksprüfungen nach DIN 1076 (RIRIEBWPrüf)

• Prof. Dr.Ing. Balthasar Novák, ILEK, Universität Stuttgart: Monitoring und insituMessungen, Möglichkeiten einer realitätsnahen Erfassung des Tragverhaltens von Brücken

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