EU-Plastiksteuer gefährdet Kreislaufwirtschaft
Die Plastiksteuer ist einer von mehreren Vorschlägen für neue so genannte „Eigenmittel“, mit deren Hilfe die EU unabhängiger von den Zuweisungen der Mitgliedstaaten werden soll. EU-Ratspräsidenten Michel hat am 10. Juli den Vorschlag gemacht, ab 1. Januar 2021 eine EU-Plastiksteuer zur Finanzierung des EU-Haushalts einzuführen. Damit will er die so genannte Brexit-Lücke im EUHaushalt schließen. Die Plastiksteuer soll dem Vorschlag zufolge ausdrücklich nicht zur Rückzahlung der Schulden aus dem Corona-Wiederaufbau-Fonds dienen, sondern in den allgemeinen EU-Haushalt fließen.
Voraussichtliche Mehrkosten von über 1,3 Milliarden für Deutschland
Konkret hatte die EU-Kommission vorgeschlagen, dass ab 2021 die EUMitgliedstaaten 800 Euro pro Tonne nicht recycelter Kunststoffverpackungsabfälle zusätzlich in den EU-Haushalt einzahlen. Nach aktuellen Schätzungen würde die Plastiksteuer die Haushalte der EU-Mitgliedstaaten mit circa 6 bis 8 Milliarden Euro pro Jahr belasten. Für Deutschland wird mit Mehrkosten in Höhe von voraussichtlich mehr als 1,3 Milliarden Euro pro Jahr gerechnet. Genaue Zahlen gibt es nach Angaben der Verbände nicht, weil die EU-Kommission keine Folgenabschätzung vorgelegt hat. Sicher ist nur, dass die Mittel keiner Zweckbindung unterliegen und daher nicht dazu dienen, die für eine bessere Kreislaufführung notwendige Infrastruktur für das Recycling von Kunststoffverpackungen zu schaffen. Im Gegenteil: „Die EU-Plastiksteuer entzieht gerade den Mitgliedstaaten, die noch nicht über eine gute Recycling-Infrastruktur verfügen, wertvolle Investitionsmittel“, kritisiert Dr. Oliver Möllenstädt, Hauptgeschäftsführer des GKV. Außerdem sei die vorgeschlagene Abgabe dem Umfang nach völlig unverhältnismäßig im Vergleich mit den Kosten der Verwertung von Kunststoffverpackungen.
Material-Substitutionen schaden der Umwelt
Der Wandel hin zu einer Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe wird erhebliche Investitionen der Unternehmen in Innovationen, neue Maschinen und das ökologische Design von Kunststoffverpackungen erfordern. „Diese Investitionen werden nur getätigt, wenn die Politik verlässliche Rahmenbedingungen setzt, die den Unternehmen Rechts- und Planungssicherheit gibt“, erklärt Möllenstädt. Die vorgeschlagene Abgabe würde dagegen zu einer erheblichen Unsicherheit der Unternehmen führen, weil sie befürchten müssen, dass die EU-Mitgliedstaaten auf unterschiedliche Art und Weise versuchen werden, ihren zusätzlichen Beitrag in den EU-Haushalt auf die heimische Kunststoffindustrie abzuwälzen. Solche unterschiedlichen nationalen Steuern würden zu einer Zersplitterung des Binnenmarktes in diesem Sektor führen, betont Möllenstädt.
Eine Abgabe allein auf Kunststoffverpackungen würde den Wechsel von Kunststoff auf Materialien mit größeren Umweltauswirkungen befördern. Hier drohen ungewollte Nebenwirkungen: „Die Diskussion um eine italienische Plastiksteuer hat bereits dazu geführt, dass immer mehr Verpackungen aus Kunststoff-Papier-Verbünden auf den Markt kommen. Damit senken die Hersteller zwar den Anteil von Kunststoff und damit ihre Steuern, gleichzeitig sinkt aber auch die Recyclingfähigkeit der Verpackungen. Somit erweist die Plastiksteuer dem Ziel der Kreislaufwirtschaft einen Bärendienst.“, kritisiert Dr. Martin Engelmann, Hauptgeschäftsführer der IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen.
Verbände schlagen zweckgebundene Abgabe auf deponierte Abfälle vor
Die Verbände fordern die Bundesregierung auf, von der EU-Kommission eine genaue Analyse der direkten und indirekten Folgen der Plastiksteuer einzufordern. Ohne eine solche Folgenabschätzung könne dem Vorschlag nicht zugestimmt werden. Um die Kreislaufwirtschaft für Kunststoffe in Europa zu fördern, schlagen die Verbände stattdessen eine zweckgebundene Abgabe vor, die an die Menge der Kunststoffverpackungsabfälle geknüpft ist, die in dem jeweiligen Land deponiert werden. Eine solche Abgabe könne die paradoxe Situation ausgleichen, dass in der EU die Deponierung von Siedlungsabfällen (und damit auch von Kunststoffverpackungsabfällen) noch bis 2035 in erheblichem Umfang erlaubt ist. Die Erfahrung in Deutschland habe gezeigt, dass ohne ein Deponieverbot eine Verbesserung der Kreislaufführung auch von Kunststoffabfällen nicht erreicht werden kann.
Der GKV ist die Spitzenorganisation der deutschen Kunststoff verarbeitenden Industrie. Als Dachverband bündelt und vertritt er die gemeinsamen Interessen seiner Trägerverbände und agiert dabei als Sprachrohr gegenüber Politik und Öffentlichkeit. Die Kunststoff verarbeitende Industrie ist mit einem Jahresumsatz von 65,1 Mrd. € und 336.000 Beschäftigten in 3.058 Betrieben einer der bedeutendsten Wirtschaftszweige in Deutschland. Die vorwiegend mittelständisch geprägte Branche zeichnet sich durch hohe Innovationskraft und eine vielfältige Produktpalette aus. Kunststoffe werden zu Verpackungen, Baubedarfsartikeln, technischen Teilen, Halbzeugen, Konsumwaren und vielen anderen Produkten verarbeitet.
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