Low-Tension oder High-Tension? Diese Frage mussten sich die Hersteller von Metallband bisher stellen, wenn sie die Anschaffung einer Streck-Biege-Richt-anlage (SBR-Anlage) planten (Bild 1). Diese Anlagen erzeugen eine gleichmäßige Planheit über die Breite des Coils¤ Sie egalisieren Material- und Oberflächenspannungen und richten diese Metallfasern über Richtwalzen (Leveller) so aus, dass zentrale Parameter wie Streckgrenze und Dehnung optimal eingestellt werden können. Nur wenn die zu Coils aufgewickelten Flachbänder eine derartige Qualität aufweisen, können sie in hoch anspruchsvollen Anwendungen zum Einsatz kommen.
Voraussetzung: Exaktes Messen, schnelles Regeln
Voraussetzung für beste Richtergebnisse ist zunächst eine Messung der tatsächlichen Unplanheit des Coils nach dem Richten. Bei den Anlagen von Ungerer – einem weltweit tätigen Spezialisten für SBR-Anlagen und der Erfinder des eigentlichen Richtprozesses – erfolgten diese Messungen bisher erstens kurz nach dem Leveller mit einer gummierten Walze aus Vollmaterial, in die Piezo-Drucksensoren integriert sind (High-Tension-Verfahren; Bild 2), und zweitens im Auslauf der Anlage durch eine Niederzugmessrolle im sehr spannungsarmen Band (Low-Tension-Messung; Bild 3). Die Sensoren senden ihre Messergebnisse kabellos über einen PCM-Transmitter an die Steuerung und einen eigens für diese Anwendung entwickelten Controller, die daraus blitzschnell die Sollwerte für den Leveller errechnen und einstellen.
Low Tension: Gute Messergebnisse, lange Totstrecke
Beim Low-tension-Verfahren erfolgt diese Messung am Ende des Prozesses, nach dem Abhaspeln des Coils. Weil sich das Coil dann nicht mehr unter Zug befindet, liefert diese so genannte Niederzugmessung sehr präzise Ergebnisse mit einer Regelgenauigkeit von ca. 99%.
Allerdings befindet sich der Messpunkt hier 20 bis 25 Meter (auf die Coillänge gerechnet) hinter der Richtzone (Leveller), so dass eine lange Totstrecke einkalkuliert werden muss. Inklusive der für die Justage benötigten Strecke sind es jedes Mal rund 50 Meter, die nicht die gewünschte oder erforderliche Planheit aufweisen, weil das erste Feedback und die Messung der Planheit erst nach ca. 25 Metern erfolgt und das Feedback der zweiten Regelung wiederum erst nach weiteren 25 Metern die Niederzugsrolle erreicht. Somit kann man davon ausgehen, dass das Band jedes Coils auf einer Länge von ca. 50 Metern zwar plan ist, aber nicht im Toleranzbereich der 99%igen Genauigkeit liegt. Dieser Wert wird erst dann zuverlässig erreicht, wenn der Leveller sich akkurat auf die Unplanheit des Einlaufmaterials eingestellt hat.
High-Tension: Schnelle Wirkung, ungenauere Ergebnisse
Die High-Tension-Messung hingegen findet nahezu unmittelbar hinter dem Leveller statt. Entsprechend schnell erfolgt die Justage, der Bandverlust ist minimal. Da das Band aber unter Zug steht, sind die Ergebnisse der Messung und folglich auch des Richtens nicht so exakt wie bei der Low-Tension-Messung. Immerhin wird aber schon unmittelbar nach der Leveller-Einheit eine Regelgenauigkeit von ca. 95% erreicht.
Die Vorteile beider Verfahren nutzen – mit UMS PRO
Somit haben beide Messpunkte und -verfahren ihre Vor- und Nachteile. Ziel der Entwickler von Ungerer war es nun, die Vorteile beider Verfahren zu nutzen: von der High-Tension-Messung der minimale Bandverlust, von der Low-Tension-Messung die höchste Genauigkeit.
Dieses Ziel wurde durch die Kombination beider Verfahren erreicht und ist unter der Bezeichnung UMS PRO marktreif. Die Sensorsysteme beider Rollen – die als Master und Slave organisiert sind – senden ihre Daten an die zentrale Steuerung, die daraus im «Closed loop-Modus» mit hoher Rechengeschwindigkeit die Parameter für den Leveller ermittelt, der das Coil daraufhin gezielt streckt.
Diese gemeinsame Datenauswertung ist neu und schafft aus Anwendersicht die Möglichkeit dafür, tatsächlich das Beste beider Verfahren zu nutzen, ohne die jeweiligen Nachteile in Kauf nehmen zu müssen. Zusätzlich ist es möglich, bei Wartung einer der beiden Rollen immer noch die Anlage zu betreiben. Potenzielle Produktionsausfälle durch Stillstände bei einer Wartung des Planheitsmess- und -Regelsystems sind nahezu ausgeschlossen. Durch den weltweit einzigartigen Ungerer Controller, der beide Systeme steuert, ist somit eine hocheffiziente und hochverfügbare Planheitsregelung geschaffen worden.
Ergebnis: Verbesserung der Planheit um den Faktor Zehn und doppelt so schnelle Regelung
Die Verbesserung, die das zweifache Messen bringt, lässt sich in Zahlen angeben. Durch das Messen nach dem Leveller wird schon eine Planheit von 95 bis 96% erreicht, nach dem Niederzug sind es 99%. Das Ergebnis sind somit Coils, die exakt plan sind und sich entsprechend präzise bearbeiten lassen. So entspricht es – um ein Beispiel zu nennen – den Anforderungen der Hersteller von Premium-Smartphones, die aus den Coils Handygehäuse und deren Komponenten wie Slots für SIM-Karten fertigen.
Kooperation von zwei Experten
Die Innovation von UMS PRO liegt zum einen in der Idee der Kombination beider Messverfahren, zum anderen aber in der gemeinsamen Datenauswertung beider Sensorsysteme. Bei dieser anspruchsvollen Aufgabe haben Ungerer – Spezialist für Niedrigzugsysteme – und das BFI als Forschungsinstitut des Stahlinstitutes VDEH und Experte für Hochzugmessungen – zusammengearbeitet. Das BFI hat u.a. den Controller entwickelt, der die Ergebnisse beider Messungen auswertet, sie in Bezug zueinander setzt und auf dieser Basis die entsprechenden Regelparameter ermittelt.
Die Messergebnisse werden, auch das ist neu, in Windows 10 mit Labview angezeigt. Die Auswertung steht u.a. als «Wasserfalldiagramm» zur Verfügung, das exakt die Planheit über die Breite und Länge des Coils angibt und dem Anagenbediener zeitgleich die Ergebnisse beider Messungen anzeigt. Das Bild zeigt die Auswertung bei einem weltweit führenden Hersteller von Edelstahl-Dünnband. Ein 1550 mm breites Band weist hier nach dem SBR-Prozess mit UMS PRO eine dem Walzwerk gegenüber stark verbesserte Planheit auf, die beim reinen Kaltwalzen aus physikalischen Gründen nicht zu erreichen ist (Bild 3).
Einfaches Nachrüsten vorhandener Anlagen
Das UMS PRO-System kann selbstverständlich in allen neuen SRB-Anlagen von Ungerer und anderen Anbietern zum Einsatz kommen. Darüber hinaus eignet es sich aber ebenso für die Nachrüstung an vorhandenen Anlagen. Dazu muss auf der mechanischen Seite im Wesentlichen nur eine im Streckblock vorhandene Rolle gegen eine Sensorrolle ausgetauscht werden.
ROI abhängig vom Materialwert
Die neue Technologie der doppelten Planheitsmessung von Coils wurde von Ungerer schon in mehreren SBR-Anlagen integriert – sowohl in vorhandenen als auch in neuen Anlagen u.a. in China, Korea und Italien¤ Es bewährt sich in der Praxis bestens und führt dazu, dass der Produzent hochwertigere Coils erzeugt und mit geringerem Materialverlust arbeitet. Dabei amortisiert sich das Messverfahren desto schneller, je höher der Kilopreis des Materials ist.
Ungerer hat einen Kalkulator entwickelt, der eine schnelle Ermittlung des «Return on Invest» für UMS PRO erlaubt. Als Faustregel kann man angeben: Bei dünnem Edelstahl amortisiert sich die Investition in das Messsystem nach rund drei Jahren. Bei Kupfer-Coils sind es nur ein Jahr, und bei Titan ist der Amortisationszeitraum sogar noch kürzer.
Die UNGERER Technology GmbH mit Firmensitz in Pforzheim blickt auf 120 Jahre Geschichte zurück und ist weltweit führend bei Metallnetzleinen. UNGERER leistete Pionierarbeit im Bereich des Streckrichtens und verfügt über weitreichende Erfahrung im Ablängen und bei Spaltbandanlagen. Auf dem prosperierenden Aluminiummarkt sowie auf dem Edelstahl- und Kupfermarkt hält das Unternehmen seine starke Position. Die UNGERER Technology GmbH gehört zum in Frankreich ansässigen europäischen Maschinenbaukonzern REDEX (70 Mio. € Umsatz, 400 Mitarbeiter weltweit) mit führender Position bei Hochleistungsantrieben für die Werkzeugmaschinenindustrie (REDEX SA), Präzisionsbandverarbeitungsgeräten (REDEX SA) und Präzisionswalzeinrichtungen (BÜHLER GmbH).
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